vonSchröder & Kalender 14.04.2018

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert  in östlicher Richtung.
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Heute (um 14 Uhr) findet am Potsdamer Platz eine Demonstration gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn statt.

Wie immer haben wir dazu eine Geschichte mit einem Hintergedanken erzählt. Denn all die Dichter und Denker, die in unserer Gegend lebten, waren Mieter: Walter Benjamin, Gottfried Benn, Eduard Bernstein, Rudolf Breitscheid, Inge Deutschkron, Albert Einstein, Gisèle Freud, Erich Fromm, Arno Holz, Erich Kästner, Siegfried Kracauer, Emanuel Lasker, Kurt Pinthus, Erwin Piscator, Marcel Reich-Ranicki, Frank Wedekind, Billy Wilder, Ursula Ziebarth und Carl Zuckmayer. Sie alle waren keine Wohnungsbesitzer.

Den Begriff »Eigentumswohnung« gibt es in Deutschland erst seit den späten  fünfziger Jahre. Nach 1945 waren viele Häuser zerstört und auch wegen des Flüchtlingsstroms aus dem Osten herrschte in der Bundesrepublik eine dramatische Wohnungsnot. Die Adenauer-Regierung suchte nach Lösungen, die Ideen des Hauseigentums und des genossenschaftlichen Wohnungsbaus waren Stützpfeiler von Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft. Zusätzlich wurde 1951 ein neues Wohneigentumsgesetz geschaffen. Doch, wie viele gut gemeinten Gesetze, öffnete gerade diese Novelle dem Turbokapitalismus bis heute Tür und Tor. Auch nachdem die Fehlentwicklung längst erkannt worden war, packte keine der politischen Parteien die Probleme bei den Wurzeln. Das Ergebnis liegt heute offen zutage: Spekulanten horten Wohnungen, während große Teile der Bevölkerung um ihr Zuhause bangen müssen. Die Mieten steigen dramatisch, die Entmietung grassiert. Es gibt in den Großstädten keine bezahlbaren Wohnungen auf dem freien Markt, Mieter werden massenweise in die öden Plattenbauten im Weichbild der Städte abgedrängt.

Wir hätten da einige Handreichungen zum Beispiel für die Linke. Es wäre doch ein zündendes Wahlkampfthema, ein novelliertes Gesetz zu fordern, welches die soziale Unsitte der Entmietungen von Eigentumswohnungen unterbindet. Etwa mittels stark erhöhter Immobiliensteuer, die es für Kapitalanleger uninteressant machen würde, Eigentumswohnungen zu erwerben, oder mittels einer Variante der Fenster- und Türsteuer, wie es sie einst in England, Frankreich und den Niederlanden gab, oder wie in Portugal, wo eine »schöne Aussicht« so hoch besteuert wird, dass diese für Spekulationen mit Wohnungen nicht taugt.

Zur aktuellen Lage in Deutschland ist zu sagen: In den letzten vier Jahren stiegen die Mieten durchschnittlich um fünfzehn Prozent und in den Ballungsräumen noch weit höher. In München beträgt die Neuvertragsmiete durchschnittlich 16,55 Euro pro Quadratmeter, es folgen Frankfurt, Stuttgart und an siebter Stelle steht Berlin mit 11,42 Euro. Die sogenannte »Wohnraumversorgungsquote« ist auf 90,4 Prozent gesunken. Das bedeutet: Für 100 Haushalte stehen nur etwas mehr als 90 Wohnungen zur Verfügung. Auf dem freien Markt sind deshalb »Geringverdiener« chancenlos. Und der Bedarf an Sozialwohnungen ist riesig, davon gibt es jedoch immer weniger. Täglich erliegen deshalb hunderte Familien in Deutschland dem stillen Terror des Immobilienkartells. Seit Jahren werden Menschen entwurzelt und sozial massakriert.

(2. Teil folgt)

BK / JS

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2018/04/14/keine-rendite-mit-der-miete/

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