vonSchröder & Kalender 23.10.2019

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in westlicher Richtung.

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Wer uns kennt, weiß, dass wir nicht an allzu großer Bescheidenheit kranken. Jedoch erst nach unserem Besuch der Sondersammlung der Leipziger Albertina wurde uns so richtig bewusst, welche Freude es ist, nun mit unserem Archiv zu diesem Literaturkosmos zu gehören.


v.l.n.r.: Jörg Schröder und Thomas Fuchs. Der Leiter der Sondersammlung zeigt uns wertvolle Exponate und Bücher im Magazin. Foto: Barbara Kalender
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Mit der Ausbreitung der Aufklärung, die in Leipzig einen günstigen Nährboden fand, wurde die Universitätsbibliothek bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein Zentrum der progressiven Ideen und begründete zusammen mit den zahlreichen Pressen und Verlagen den Ruhm von Leipzig als die deutsche Buchstadt. Schon im Jahr 1920 erreichte die Albertina die magische Grenze von einer Million Titeln. Im zweiten Weltkrieg wurden durch Bombenangriffe in Deutschland vierzig Prozent des in öffentlicher Hand befindlichen Buchbestandes vernichtet. Nicht so in Leipzig, dort wurde der Bestand der Albertina von 1,4 Millionen Titeln vorsorglich ausgelagert. Kurz vor 1945 wurde das Bibliotheksgebäude zerstört. Seit 2002 ist das Hauptgebäude wieder hergestellt.
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Dieses Foto zeigt die Auslagerung im Jahr 1944 (Copyright: UB Leipzig). Kurz vor 1945 wurde das Bibliotheksgebäude zu zwei Dritteln zerstört. Seit 2002 ist das prächtige Hauptgebäude wieder hergestellt. Die Bibliothek zählt heute zu den bedeutendsten Kulturgütern Europas.

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Einige Impressionen von unserem Rundgang in der Sondersammlung:

Das vielleicht wertvollste Stück – neben der ersten Bibel auf Pergament, dem Codex Sinaiticus – ist ein 3.500 Jahre alter medizinischer Papyrus, den die Bibliothek 1873 erwarb.


Diese drei Fragmente aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. enthalten eine namentliche Auflistung der Könige in Ägypten mit ihren Regierungsjahren. Copyright: UB Leipzig
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Wir sahen weitere Stücke aus der Sammlung Astronomie und Astrologie.


Detail aus Wenzel Fabers Almanach für Leipzig auf das Jahr 1494. Copyright: UB Leipzig

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Eine interessante Darstellungen zur Alchemie. Hier die Copulatio als Alegorie der Trennung und Mischung von Substanzen.

Copyright: UB Leipzig
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In den medizinischen Abhandlungen des 14. Jahrhunderts überraschte uns eine Anweisung an Ärzte, wie bei diversen Krankheiten bestimmte Körperteile mit Brenneisen traktiert werden sollen – eine Art von mittelalterlicher Akupunktur.

Copyright: UB Leipzig
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Eine wichtige Abteilung der Sondersammlung sind die zahlreichen Dokumente des Glaubens, also Judentum, Christentum, Islam und Exponate aus Orient und Asien. Als Beispiel haben wir die Himmelsphären in der Bearbeitung des jüdisch-spanischen Astronomen Rabbi Abraham Hispanus ausgewählt.

Copyright: UB Leipzig
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Natürlich interessierten uns auch die Drucke zur Entdeckung Amerikas. Dazu ein Zitat aus dem Katalog: »Während die spanische Karavelle noch nach einem geeigneten Ort zum Anlegen sucht, nähert sich im Hintergrund bereits ein Beiboot den kürzlich entdeckten Inseln. An Bord befindet sich Christoph Kolumbus, der wenig später – ohne es zu wissen – Amerika betreten wird.«

Copyright: UB Leipzig
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Kürzlich haben wir in der Albertina mit Jan-Frederik Bandel, unserem Koautor des Buches ›Immer radikal, niemals konsequent. Der März Verlag – erweitertes Verlegertum, postmoderne Literatur und Business Art‹, vor amüsiertem Publikum ein Gespräch über die MÄRZ-Ausstellung in der Universitätsbibliothek geführt. Dieselbe läuft noch bis zum 3. November 2019. Wer es nicht mehr nach Leipzig schafft, kann den Katalog zur Ausstellung erwerben, der auch über den Buchhandel zu beziehen ist.

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Nun hat die Sondersammlung in Leipzig unser Archiv übernommen. Es umfasst sämtliche MÄRZ-Erst- und Lizenzausgaben, Sekundärliteratur, Herstellungs-, Vertriebs- sowie Buchhaltungs- und Firmenunterlagen seit 2005, außerdem erhält die UB Leipzig die Korrespondenz und alle Redaktionszustände der Folgen von ›Schröder erzählt‹. Dieses Work in progress besitzen bereits 43 bedeutende Bibliotheken und Sammlungen in Deutschland, Europa und weltweit, darunter die von Harvard und die Library of Congress. ›Schröder erzählt‹ begannen wir im Mai 1990, das Werk endete im Mai 2018. In dreißig Jahren entstanden 3.760 Seiten in 72 Folgen.

Die Sondersammlung erhält praktisch alles, was mit dem literarischen und verlegerischen Lebenswerk zusammenhängt, zu dem natürlich das grafische Werk von Jörg Schröder und dessen gelb-rot-schwarzes MÄRZ-Design gehört sowie viele MÄRZ-affine Kunstwerke. Der Bestand wurde und wird von der MÄRZ Gesellschaft e.V. Berlin übertragen, diese überlässt die Materialien der Universitätsbibliothek Leipzig mittels eines Depositalvertrags zur wissenschaftlichen Erschließung und Nutzung.

Nehmt alles nur in allem: Wir betrachten unser Leipziger Depositum als Nobilitierung zum Geistesadel.
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v.l.n.r. Bibliotheksdirektor Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Barbara Kalender, Jörg Schröder und Prof. Dr. Thomas Fuchs, Leiter der Sondersammlungen und einer der beiden Ausstellungskuratoren. Foto: Thomas Kademann.
Mehr über die Ausstellung hier.

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BK / JS

 

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