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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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Am 10. Juli 2020 nahmen wir Abschied von Jörg Schröder in der Feierhalle des Krematoriums Berlin-Baumschulenweg. Jörg Sundermeier gab uns die Erlaubnis, seine Rede hier zu veröffentlichen, dafür danke ich ihm.
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Liebe Barbara, liebe Trauergäste,
wir alle kannten Jörg Schröder gut, viele hier kannten ihn aber viel besser als ich. Ich habe ihn das erste Mal rund um die Jahrtausendwende getroffen, dann immer wieder, bald konnte ich mit Barbara Kalender und ihm Veranstaltungen machen, herrliche Veranstaltungen, schließlich konnten Kristine und ich 2013 beider Buch „Kriemhilds Lache“ herausbringen. Es erfüllte mich mit Stolz, der Verleger meiner verlegerischen Vorbilder sein zu dürfen!
Jörgs Leben war reich an Geschichten und Geschichten konnte er erzählen, so schön, dass sie manchmal wie erfunden wirkten, so gut saß die Pointe, so genau war die Szenerie beschrieben. Denn Jörg war ein Mann mit offenen Augen und Ohren, er sah und hörte genau hin.
Geschichten also konnte er erzählen und nun will ich es versuchen, eine über ihn zu erzählen. Denn als wir an dem Buch „Kriemhilds Lache“ arbeiteten, kam es beim Satz zu Verzögerungen, Verzögerungen mochte Jörg nicht, also rief ich lieber gleich an.
„Jörg“, sagt ich, „seid mir bitte nicht böse, aber das mit der Korrekturfahne dauert noch, wir sind hier gerade alle etwas geschockt, denn eine Lagerhalle in unserer Auslieferung ist abgebrannt, eine weitere in Mitleidenschaft gezogen. Mindestens 25.000 Bücher sind verbrannt, eventuell sogar bis zu 70.000…“
Jörg schwieg einen Moment lang betroffen. Dann frage er: „Wart ihr versichert?“
Ich bejahte.
„Das habe ich mit mein ganzes Verlegerleben gewünscht“, rief Jörg begeistert aus.
Dann merkte er, dass ich schwieg.
„Ihr druckt einen Teil der Bücher nach, oder?“
Ich bejahte.
Jörg seufzte: „All das schöne Geld!“
Aber er ermutigte uns dennoch, die Bücher nachzudrucken.
Vor zwei Jahren, nach der Buchpremiere der Neuausgabe von „Siegfried“, saßen wir in Barbaras und Jörgs Hotelzimmer in Hamburg, nachdem die Hotelbar geschlossen hatte, wir rauchten verbotenerweise und machen hintereinander die Minibar von Barbara und Jörg, von Gerhard Henschel und von mir platt – es wurde ein sehr langer Abend.
Irgendwann, es war sehr spät, kamen wir auf den Lagerbrand. Ich erinnerte Jörg an seinen Stoßseufzer – „All das schöne Geld!“ – und Jörg sagte: „Ja, sicher, schönes Geld. Aber was nützt das Geld, wenn man keine Bücher daraus macht?“
So war Jörg. Er war ein Geschäftsmann. Er war aber noch mehr ein Büchermensch.
Und mehr noch ein toller Mensch.
Danke.
Jörg Sundermeier im Juli 2020
Er ist Autor für diverse Zeitungen und Magazine, darunter auch für die taz. Aber Sundermeier ist auch Verleger und betreibt mit Kristine Listau den Verbrecher Verlag.
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JS / BK
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