vonFabian Schaar 19.03.2021

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Ein Blog zu Politik, Gesellschaft und dem Dazwischen: Vielleicht ändert sich ja doch noch was?

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Dass der menschengemachte Klimawandel eines der bedrohlichsten und gerade deshalb wichtigsten Probleme der Menschheit ist, haben mittlerweile so ziemlich alle, halbwegs logisch Denkende verstanden. Die Grünen stehen nicht nur in Umfragewerten in einem guten Licht, und doch fällt auf: Die Partei hat in der Vergangenheit häufiger mit der CDU, die wohl das Gegenteil von Nachhaltigkeit in irgendeiner Weise darstellt, und auch noch stolz darauf ist, koaliert oder zumindest geliebäugelt. Vor den kräftigen Wahldebakeln der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz galt eine Koalition von Union und Grünen auf Bundesebene lang für sehr wahrscheinlich.
Sollte es der Union bis zur Bundestagswahl im Herbst also doch gelingen, wieder aufzuholen oder die Grünen wie auf Landesebene häufiger tatsächlich über eine schwarz-grüne-Koalition nachdenken, hier ein paar Argumente dagegen:

Gerade heute, am Tag des 5. globalen Klimastreiks von FridaysForFuture sollte angesichts dessen auch eines deutlich gemacht werden: Ökologische Nachhaltigkeit kann nur mit ökonomischer Nachhaltigkeit funktionieren, nicht mit Kapitalismus.

Für das Erreichen grüner Ziele, wie etwa dem 1,5°-Grenzwert der Erderwärmung braucht es einen grundlegenden Wechsel des wirtschaftlichen und damit politischen Systems.
Der Markt im Kapitalismus zwingt Unternehmen, so grün und sozial sie auch gern wären, immer in den Konkurrenzkampf mit anderen Vertretern der Branche. Wer sich diesem Zwang nicht beugen möchte, geht pleite und kann, ganz ohne Kapital im Kapitalismus nicht mehr weiter bestehen, und das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich.
Auf Bergen von wichtigen Produktionsmitteln thronend fragt sich nun also jede und jeder Kapitalist:in: Wie mache ich Profit, wie setze ich mich gegen meine Konkurrenz durch?

Gerade, wenn man sich den eigentlichen Wert der Waren, seien es produzierte Güter oder Dienstleistungen anschaut wird klar: Rein rational betrachtet sollte sich der Wert der Ware, der theoretisch über seinen Kaufpreis definiert wird, aus zwei entscheidenden Faktoren Zusammensetzen:
Dem Wert der Ressource(n) die benötigt werden und dem Wert der Arbeitskraft, die aufgebracht werden muss, um das Endprodukt anbieten zu können.
Würden Waren und Dienstleistungen nun aber nach diesen Wertigkeiten angeboten, hieße das, dass aus dem Verkauf der Dinge kein Profit gezogen werden könnte, was – wie oben beschrieben – fatal wäre in einem kapitalistischen System. Kurz gesagt: Der Kapitalismus muss immer wachsen und erzwingt den Konkurrenzkampf des Marktes.

Den Eigentümern von Produktionsmittel bleiben grob gesagt also nur zwei Möglichkeiten, Gewinn zu schlagen und diesen zu maximieren:
Die Ausbeutung von lohnabhängig Angestellten, indem diese entweder (viel) zu niedrig entlohnt werden, oder aber zu lang arbeiten müssen, selbst wenn die erarbeiteten Güter für das Weiterleben der Menschen nicht nötig wären. Oder aber die Ausbeutung der Natur, die durch das blinde Abschürfen von wichtigen Ressourcen oder das Vernichten natürlicher Kreisläufe (wie etwa der Rodung von Regenwaldgebieten) schamlos missbraucht, nein vergewaltigt wird.

Doch nicht nur letzteres treibt die drohende Krise voran. Etwas salopp sollte man fragen, warum wir uns eigentlich für Klimaschutz einsetzen: In erster Linie sollte das die Sicherung der menschlichen Zukunft sein, in der auch die Kinder und Kindeskinder von heute auf den Straßen Protestierenden gut leben können sollten.
Entsprechend wäre es wohl etwas zu kurz gegriffen, nur die stupide Ausbeutung der Natur zu stoppen, sondern auch entscheidend wichtig soziale Verhältnisse der Gesellschaft grundlegend zu verändern, stellen diese doch auch eine entscheidend wichtige Form der Ausbeutung des Menschen dar.

Sollte das argumentativ noch nicht ausreichen, um zu begründen, das die Grünen mit etwaigem CDU-Kuschelkurs mit Schwung an der Problematik – von mir aus im E-Auto – vorbeifahren, könnte es helfen, eine mögliche CDU-Grüne-Koalition in die Zukunft zu denken. Auch wenn die entsprechenden Schlüsse möglicherweise anmaßend sein könnten, unbegründet sind sie allemal nicht: Die Grünen könnten wohl einige Forderungen auch als kleiner Koalitionspartner durchsetzen, so wären beispielsweise eine spürbare CO2-Steuer für Unternehmen denkbar, auch wenn diese durch entsprechende Arbeit der CDU wieder massiv abgeschwächt werden könnte, vom Lobbyismus ganz zu schweigen. Durch die Regierungsbeteiligung der Union allerdings würde sich das wirtschaftlich/gesellschaftliche System nicht ändern, Konservatismus sei …naja… Dank?

Was würde das aber für den wirtschaftlichen Betrieb bedeuten, in dem die ungerechte Verteilung von Produktionsmittel damit aber auch Lohnarbeit und marktwirtschaftlicher Konkurrenzkampf erhalten blieben?

Fakt ist, Produktion und Profitmaximierung auszubremsen oder gar einzuschränken passt dem Kapitalismus so gar nicht. Auch wenn B‘90/Grüne es fordern würden, wäre das also nahezu unmöglich, auch, wenn es der Umwelt zu Gute käme. Wenn nun auf Krampf doch beschränkt oder sanktioniert würde, würden sich Arbeitsbedingungen und Löhne der Arbeitnehmer:innen fatal verschlechtern, erst recht nach einer Pandemie denkbar problematisch. Wie mensch es also dreht und wendet, unterm Strich profitieren selbst in diesem Szenario wiedereinmal Reiche, die große Masse verliert.

Doch eine rot-rot-grüne oder vielmehr grün-rot-rote Koalition dürfte ebenfalls nicht alles zum Guten drehen können. Auch Nationalstaaten befinden sich in ständiger Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Wachstum, denn auch sie müssen sich, um in einer kapitalistischen Welt zu bestehen immer gegen andere Länder durchsetzen.
Auch die CDU ist ohnehin nicht immer der Fels in der Brandung, der sie gern wäre.

Die sich häufenden Debakel der Partei, sei es wegen erwartbaren Korruptionsaffären oder -vorwürfen oder den Wahldramen bei den vergangenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Die Union verliert selbst an Zustimmung und Prozentpunkten, was eine grün-rot-gelbe Ampel-Koalition nicht ausschließt. Aber auch hier könnten Probleme anlaufen, wenn die neoliberale, zur CDU tendierende FDP, die in die Mitte gerückte SPD und für solche Kurse offene Grüne aufeinandertreffen.

Möglicherweise könnten B’90/die Grünen aber auch der große Partner in einer Koalition mit der Union sein, was die vorangegangen Überlegungen zumindest zum Teil verändern würde, grüne Ziele könnten so besser eingebracht werden, einen gesellschaftlich linken Kurswechsel halte ich unter dieser Konstellation allerdings auch nicht für sehr wahrscheinlich.

Es bleibt also kompliziert. Klar ist aber, dass eine grün-konservative Regierung die heutigen Probleme wohl auch nicht lösen kann. Dass eine Zusammenarbeit von Grünen zur oder mit der Union nicht wirklich förderlich sein kann, auch. Es bleibt also zu hoffen, dass Koalitionsoptionen auch jenseits von Union, FDP und vor allem der AfD offen bleiben.

Klimaschutz ist entscheidend, soziale Gerechtigkeit aber nicht weniger.


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