„Ich bin geradezu empört, eine derartige Anzeige in der taz vorzufinden. Von anderen Tageszeitungen hätte ich nichts Besseres erwartet, aber von Euch? Ich hoffe, daß dies ein einmaliger Ausrutscher war. Oder werde ich als taz-Leser (Abonnent!) demnächst auch mit Werbung diverser Fluggesellschaften, der Deutschen Bank, Mercedes oder Siemens beglückt? Einmal abhängig von der Zahlungskraft solcher Anzeigenkunden, ist die Hofberichterstattung nicht mehr fern.“
Ob BMW, SPD, Apple, Fielmann, Daimler oder Bundeswehr – Anzeigen waren schon immer Gegenstand von Auseinandersetzungen mit den LeserInnen der taz. Nicht zu Unrecht: Eine Zeitung, die mit dem Beschluß angetreten war, weder rassistische, noch sexistische oder militaristische Anzeigen zu publizieren, stand bei den AbonnentInnen, aber auch taz-intern unter linksmoralischer Aufsicht. Andererseits waren die geschäftsführenden KollektivistInnen froh, wenn durch die mageren Anzeigenerlöse mal wieder ein paar Mark in die Kasse kamen, um Rechnungen und Löhne zahlen zu können: eine Gratwanderung für die Anzeigenabteilung, die sich in den frühen Jahren durch raschen Verschleiß des Personals auszeichnete.
Kerstin Noll indes ist seit 18 Jahren dabei. Und will bleiben. Trotz Streit und Diskussionen, trotz aller persönlichen Krisen und Zweifel – das Unternehmen taz bleibt ihr Heimat für kritische Köpfe. Außerdem hat sich einiges geändert: Der profitable Stellenwert von Anzeigen wird durchaus anerkannt und kein Redakteur trägt (wie einst im Mai) eine frisch gewachste Anzeigenvorlage unter dem schiefen Absatz seiner Szene-Boots : „Irgendwie verschwunden, das blöde Ding!“