Anfang der 90er-Jahre (ich begann gerade die Ost-West-Reihe „Erzähltes Leben“ für die Kulturbrauerei zu planen), bin ich für den WDR schon einmal (damals noch mit einer analogen Marantz) losgezogen, um im von Bürgern befreiten Berlin die Spuren von Mauerresten zu sichern. Viel gab es da nicht mehr, in einem wahren Taumel war der mörderische Grenzschutz der Realsoziaisten abgetragen worden. Doch existierten Sammelstellen für bunt besprühte Mauerelemente, auch das öde Brachland des Todesstreifens war noch sichtbar und hie und da wurde darüber nachgedacht, den Verlauf der Mauer mit Markierungen zu rekonstruieren, weil alle fragten und keiner antwortete.
Vorige Woche habe ich mich dann auf’s Fahrrad geschwungen und bin (mit meinem digitalen Tascam) noch einmal losgezogen. Diesmal für SWR-Kontext. Spuren sichern. East Side, Bernauer, Topographie, Checkpoint, ein paar Orte gibt es noch, auch Geschichtsmeilen und Infotafeln, aber eine Frage habe ich trotzdem von Kids und TouristInnen immer wieder gehört: “Wo stand die Mauer, man sieht nichts, sag doch, wo war das!?” Keine Ahnung die Damen und Herren, stattdessen stellen ihnen schlanke Braungebrannte in Uniform gegen Gebühr Visa für die Einreise in den Osten aus, lassen sich für zwei Euro vor den Sandsäcken des Checkpoints fotografieren und Toni, der junge Velotaxista vom Potsdamer Platz, sucht mit seinen Fahrgästen die letzten Reste von Mauer und Schießbefehl.
Nicht viel ist also geblieben und doch. Man kann sich in dieser Stadt immer noch gegenseitig sein Leben erzählen. In solchen Erzählungen spielt sie eine Rolle: Die Mauer. Vielleicht sollten wir uns mehr zuhören als Reste zu inszenieren. Vielleicht sollten wir alle ein wenig leiser sein. Vielleicht könnte dann jemand verstehen.