vonDetlef Berentzen 30.03.2012

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Ein Ort der Ruhe und Entspannung. Still muß das Örtchen sein, an dem wir unsere ehernen Notwendigkeiten erledigen – kein Tumult, keine Öffentlichkeit, keine Störung. Das postmoderne Individuum zelebriert seine Notdurft in größtmöglicher Einsamkeit. Manchmal sogar ohne Mobiltelefon.  Und niemand wird gerne auf Ort und Umstände seiner intimen Verrichtungen angesprochen.

Und doch waren es viele, die sich für die neulich erst abgebauten Austellungen zur „Geschichte des Stillen Örtchens“ in Schwetzingen und Bad-Schussenried interessierten. Bewegten sich kichernd, neugierig und erstaunt von Exponat zu Exponat und begannen zu begreifen, daß die Historie von Abort, Toilette und den dazugehörigen Utensilien jede Menge Erkenntnis über die Alltagsgeschichte der jeweiligen Epochen, aber auch über die Geschichte dessen liefert, was der Philosoph und Soziologe Norbert Elias den „Prozeß der Zivilisation“ nannte.

Gerade der Umgang mit Abort und Notdurft liefert für diesen „Prozeß“ illustre und oft genug tabuisierte Erkenntnisse über das geschichtliche Verhältnis des Menschen zu seinem Körper. Und ist es nicht gerade Aufgabe von Wissenschaft das stets flackernde Licht der Aufklärung auch in die schambesetzten Winkel des Bewußtseins zu bringen? Und all das zu beleuchten, was menschlich ist, allzumenschlich? Jenen Ort genauer zu erforschen, zu dem selbst der vielzitierte Kaiser zu Fuß hingeht, aber ein Großteil der Weltbevölkerung gerade nicht, weil er sich die aktuelle Hygiene nicht leisten kann?

Also habe ich mich (für SWR2) auf die Spur der Notdurft, ihrer Gerüche und Exponate gesetzt: Von der kollektiven Latrine der Römer über Aborterker, Nachttopf und Retirade, Leibstuhl und Pissoir bis zur wassergespülten Keramik der Jetztzeit. Und habe dabei das Staunen gelernt.

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