vonDetlef Berentzen 11.06.2012

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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„Die VG Wort wird aus unserer Sicht vollkommen zurecht gegen das Urteil Berufung einlegen. Sollte das Urteil in letzter Instanz bestätigt werden, wären der Verteilungsplan der VG Wort hinfällig und Ausschüttungen nach diesem Plan rechtswidrig – und damit eine Haftung der verantwortlichen Personen im Vorstand und Verwaltungsrat naheliegend. Dass dieses Risiko (Ihnen ist ja das Einnahmevolumen von rund 120.000.000 € bekannt) niemand eingehen will, ist aus dju-Sicht zumindest nachvollziehbar.“ (Cornelia Haß)

„VG Wort hält Auszahlung zurück“ , „VG Wort friert Tantiemen ein“, „142.000 Autoren warten“ – mir geht es nicht anders. Man kann das sommerliche Geld für all die Zweitverwertungen der eigenen Werke wirklich gut brauchen. Auch in diesem Jahr. Erst recht in diesem Jahr: Enge (fast) überall. Trotzdem wird eingeforen und zurückgehalten. Und alles wegen „Martin“, dem rebellischen Urheber. Der tritt an gegen die VG-Wort, weil die nicht nur ihm, sondern auch seinem Verleger jedes Jahr einen Anteil der fälligen Tantiemen überweist. Soll sie aber nicht, beschwert sich Martin, das war vertraglich nicht vorgesehen. Zieht also mit seinem Fall in München vor das (Land-)Gericht und bekommt Recht. So nicht!, urteilen die Richter: der Martin muss nicht teilen. Die VG-Wort ist schockiert, ahnt weitreichende Konsequenzen für ihre bisherige Verteilungspraxis und zieht die Notbremse: Vorerst keine Tantiemen, für niemanden, vorbeugende Sippenhaft – erst einmal Klarheit schaffen! Was für jede Menge AutorInnen die eine oder andere Hängepartie bedeutet. Vermute ich mal. Wie auch immer, die Frage ist: Geht das alles nun mit rechten oder mit linken Dingen zu?

Also habe ich nachgefragt. Bei denen, die sich um die prekäre Lage von JournalistInnen und AutorInnen sorgen, gerne Presseausweise ausstellen und schon mal Trillerpfeifen verteilen. Man mag es vielleicht nicht glauben, aber die „Deutsche Journalisten Union“ (dju)  bewegt sich durchaus, hat mich  z.B.  immer wieder mal (auch im VS) gegen die üblichen Wegelagerer unterstützt und sollte demnach auch  in der Lage sein, eine dezidierte Meinung zur präventiven Notbremsung der VG-Wort zu äußern.. Ich habe deshalb, nass und forsch, Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der dju, gebeten, mir qua Mail zu erklären, was eigentlich und wohin läuft?  Und sie hat geliefert – jede Menge Hintergrund zum Verständnis der aktuellen Lage. Hat im Kontext ihrer Ausführungen auch die Frage beantwortet, ob die Verwertungsgesellschaft denn wirklich und unbedingt gleich alle Auszahlungen sperren musste.

dju: Bislang gibt es zwar nur eine – nicht rechtskräftige – Entscheidung in einem Einzelfall. Allerdings kann die nicht einfach ignoriert werden. Die kaufmännische Sorgfalt gebietet Rückstellungen und das heißt konkret die Zurückhaltung von Ausschüttungen, weil deren Rückforderung in der Praxis schwierig bis ausgeschlossen sein dürfte. Formal betroffen von der Einzelfallentscheidung ist nur der Verlegeranteil (50 % Wissenschaft, 30 % Belletristik, Journalismus 30 oder 40 %). Die Argumentation des Klägers gilt aber leider auch spiegelbildlich: Wo Urheber die Rechte vor(!) Abschluss des Wahrnehmungsvertrags einem Verlag eingeräumt haben, könnten sie demnach keine Rechte mehr in die VG Wort mehr einbringen und dürften somit auch keine Ausschüttungen mehr erhalten. Damit stellt sich die Frage der kaufmännischen Sorgfalt auch bei der Ausschüttung an Autoren.

Schaut man sich Klage und Erfolg des inzwischen irgendwie berühmten Kollegen Martin an, könnte man meinen,  durch dessen Präzendenzfall seien  die Weichen für eine höhere Ausschüttung an AutorInnen gestellt. Auf Kosten der Verlage.

dju: Aus Sicht der dju in ver.di wäre es falsch, in dieser sicherlich nicht befriedigenden Situation dem Irrtum aufzusitzen, dass es nur darum ginge, ob den Autoren auch die bisher an die Verlage gezahlten Ausschüttungen zufließen. Es ist ja nicht so, dass die Urhebervergütungen in der VG Wort ohne vernünftigen Grund partiell an die Verlage ausgeschüttet worden sind. Dieser Verteilungsmodus hat eine lange Tradition: Durch den festen Verteilungsschlüssel sollte genau das verhindert werden, was jetzt in der ersten Runde erfolgreich eingeklagt wurde, nämlich, dass sich die Verwertungsgesellschaft an den Verträgen orientieren muss. Bis Juni 2002 waren die Vergütungsansprüche gegen die VG Wort an die Verlage abtretbar. Sie wären also in vielen Fällen auch abgetreten worden. Genau dem sollte durch den festen Verteilungsmodus ein Riegel vorgeschoben werden. Der hinter diesem Modus stehende Konsens ist übrigens auch im Normvertrag für den Abschluss von Verlagsverträgen (§ 2 Abs. 4) nachlesbar, wonach die von der VG Wort verwalteten Rechte dem Verlag zwecks „gemeinsamer Einbringung“ eingeräumt werden – also zur Verteilung nach dem Schlüssel der VG Wort. Dieser Verteilungsmodus sollte also die Urheber davor schützen, dass die Verlage sich die Ansprüche gegen die VG Wort vertraglich abtreten ließen. Er ist mehr als ein halbes Jahrhundert durchweg akzeptiert worden. Auch der Kläger, der vor seiner Tätigkeit als Patentrichter für die VG Wort zuständiger Aufsichtsbeamter war, hat damals keinen Grund für eine Beanstandung gesehen. Nebenbei ist diese Art der Verteilung, die keine Prüfung von Verträgen erfordert, einfach, senkt also die Verwaltungskosten der VG Wort und trägt so zu höheren Ausschüttungen bei.

Nun kenne ich den Kläger, nennen wir ihn noch einmal „Martin“, nicht näher. Auf alle Fälle hat er Debatten losgetreten, deren Konsequenzen für mich nicht unbedingt abschätzbar sind. Ohnehin herrscht in puncto Urheberrecht Chaos unter dem Himmel. Kann man das „Freezing“   nicht  zumindest zeitlich begrenzen? Oder müssen man und frau statt auf ihre Tantiemen auf Godot warten?

dju: Zur Eingrenzung des durch die Klage geschaffenen Risikos hat die VG Wort das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) als zuständige Aufsichtsbehörde gebeten, die Zulässigkeit weiterer Ausschüttungen zu prüfen. Die Ausschüttungen werden bis zum Abschluss der Prüfung, in die das DPMA auch das BMJ einbezogen hat, zurückgestellt. Die VG Wort erwartet vom DPMA spätestens zum 1. August eine abschließende Stellungnahme. Sollte das DPMA weitere Ausschüttungen auf der Basis des geltenden Verteilungsplans für unzulässig halten, kann die VG Wort auf absehbare Zeit keine Ausschüttungen vornehmen, soweit das DPMA Beanstandungen vorbringt. Das betrifft dann möglicherweise auch die Ausschüttungen an Urheber. In diesem Fall werden die Gremien der VG Wort erneut zu beraten haben, in denen auch dju- und VS-Mitglieder Sitz und Stimme haben. Die VG Wort hat übrigens bereits angekündigt, dass sie gegen eine Untersagung von Ausschüttungen auch rechtliche Schritte ergreifen wird. Spätestens daraus wird deutlich, dass die VG Wort ausschütten will, das in der gegenwärtig unklaren Lage aber eben nicht kann.

….soviel dazu. Vielleicht demnächst mehr. Danke für die irgendwie doch klärenden Sätze, Frau Haß. Es bleibt also erst einmal eng. Und wir alle werden schlanker (siehe Foto). Einmal mehr. Trotzdem gilt: Weiteratmen! Und das alte „Dranbleiben! Einmal klappt’s bestimmt!“ (Jimmi Lallement)

 

 

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