„Wenn jedes Volkes eigenthümliche Sprache der Stamm ist, an dem alle seine innersten Kennzeichen sich darthun und entfalten, so geht ihm erst in der Dichtung die Blüte seines Wachsthums und Gedeihens auf. Poesie ist das, wodurch uns unsere Sprache nicht nur lieb und theuer, sondern woran sie uns auch fein und zart wird., ein sich auf sie nieder setzender geistiger Duft.“ (Jacob Grimm, Rede auf Schiller)
Der „Verein für Deutsche Sprache“ verleiht, so lese ich gerade, auch den Preis „Sprachpantscher des Jahres“ für besonders bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache“, an Fritz Pleitgen etwa, an Hartmut Mehdorn oder Klaus Wowereit. Warum auch nicht? Der Verein steht eben ein für „Sprachloyalität“ und steht auf gegen den Trend zum babylonischen „Denglisch“. Hört sich vielleicht witzig an, ist es aber nicht. Yo, Man!, wer Radio hört, braucht mitunter nur ein paar Minuten, um zu merken, daß der Trend tatsächlich zum „Pantschen“ geht. Soll er doch. Meinetwegen. Solange es Zeilen wie diese gibt, ist noch nichts verloren:
Ein Balkon aus Papier, /handtellergroß,/ für jeden Morgen. /Das ist kein Kinderspiel./ Diese ein wenig/ fahrige Mühe, / den Tag zu gewinnen, / dem ersten Satz zu trauen, / ohne ihn auszusprechen, / Sonnenflecken zu zählen, / den Atem zu hören / und den Rauch der Zigarette / gegen die offene Hand /zu blasen. Jeder Morgen/ könnte mir fehlen.
Diese Zeilen atmen. Peter Härtling hat sie für den Gedichtband „Ein Balkon aus Papier“ noch auf seiner alten „Olympia“ getippt. Ich stelle ihn mir vor, wie er Buchstaben für Buchstaben per Typenhebel und lautstark genug auf’s Papier bringt. Und auf diesem handtellergroßen Balkon ein Tänzchen wagt. All die Worte verneigen sich, er trifft die Wahl, gibt ihnen Satz und Melodie. Bis er ein neues Farbband braucht. Und er hat schon viele verbraucht. Für den Hölderlin, den Schubert, den Schumann. Für all die Nachgetragene Liebe. Für Lyrik, für Prosa. Hat zwischen den Zeilen und in der Sprache gelebt. In seiner Sprache. Schon als er die ersten Gedichte schrieb, war diese Sprache deutsch, die Sprache seiner Dichter, die er in sich aufnahm: „Vielleicht ein Narr wie ich“.
Diesem „Narren“, diesem leidenschaftlichen Dichter und Erzähler wird der Verein für Deutsche Sprache nun am morgigen Tag (20. Oktober 2012) den Jacob-Grimm-Preis überreichen. Den übrigens auch schon Udo Lindenberg erhielt: „Ich mach mein Ding!“ Was auch für den knapp 79-jährigen Peter Härtling gilt. Er habe sich „in besonderem Maße um die Anerkennung, Weiterentwicklung und Pflege des Deutschen als Kultursprache“ verdient gemacht. Solche Sätze muss man schreiben, wenn man Preise verleiht. Man kann aber auch ein wenig mehr sagen und hat das zum Glück auch getan: „In Härtlings Romanen und Erzählungen wird deutsche Geschichte fassbar. Seine Gedichte sind von großer Sprachkraft und seine Kinderbücher haben ganzen Generationen von Jugendlichen die Welt der Literatur eröffnet. Härtlings Werk zeigt, mit welcher Hingabe man sich der Sprache und Literatur widmen und sie zum Lebensinhalt machen kann“. Na also! Geht doch! Gratulor!