….Vielleicht erinnerst Du dich nicht mehr, aber genauso hat es sich zugetragen: Da war Hermanns Spaziergang in der Neuköllner Hasenheide. Ein Frühlingstag, Ende April. Fast dreißig Jahre ist das her. Die Hanfpeople kifften am Denkmal von Turnvater Jahn, die Hundescheiße krümmte sich auf den zugemüllten Wegen und die Toten lagen entspannt hinter der efeuberankten Friedhofsmauer. Die Sonne schien. Und doch nicht.
Auf dem Spielplatz mit dem Kreisel kein Kind. Nirgendwo. Alle fürchteten die radioaktiv verseuchten Sandkisten. Alle versteckten sich vor dem nächsten Regen.
Mami, muß ich jetzt sterben?
Die Kinder rannten sofort nach Hause, wenn es regnete, hatten panische Angst.
Kommt sofort rein, aber schnell!
Die Kurzen wurden unter der Dusche dekontaminiert, Wiesen gerieten zum verbotenen Terrain: Auch hier akute Seuchengefahr! Gemüse gab es nur noch aus Büchsen und keine Milch mehr. Kein Salat, kein Spinat, kein Rindfleisch.
Judith hatte Angst, daß ihr die Haare ausfallen.
Mami, muß ich jetzt sterben?
Ganze Kinderläden flohen an den Atlantik, um dem Fall-Out zu entgehen. Auch in der Ohlauer Kneipe gab es nur noch das eine Thema: Die radioaktive Wolke, verstrahlte Nahrung, Gendefekte, Leukämie, Tod , Teufel und die unverschämten Lügen der Politiker. Que faire?
Hermann sitzt mit Giulio am Thresen, beschwert sich über all die verseuchten Köpfe und grinst panisch. Der alte Stadtindianer lacht und bestellt noch einen. Dann noch einen. Und frieren trotzdem. Mitten im Frühling.