„Thomas Weibel ist Journalist und Hochschullehrer, Blogger und Bassist.“ Das hört man gerne, daß auch mal ein Bassist Kritik üben und Perspektiven malen darf, die des Kulturradios nämlich, um das es dem „Mehrspur“-Team um Wolfram Wessels (SWR2) nach wie vor und dringlich in seinem monatlichen Magazin geht. Längst kümmern sich die Badener-Badener nicht mehr nur um die audible Zukunft des deutschen Michels und seiner Michelin, sondern um das ganze Große, um das radiophone Europa. Wie steht es also um die kulturellen Frequenzen anderer Länder? Gibt’s da was zu lernen? Von jenem Thomas Weibel zum Beispiel, der neulich noch Programmentwickler beim Schweizer Rundfunk (DRS2) war? Und für „Mehrspur“ zunächst den eidgenössischen Status Quo erläutert:
„Kulturradio ist hier nicht Institution, sondern Kompromiss: zwischen beissender Kritik und vollendeter Harmlosigkeit, zwischen Elfenbeinturm und Stammtisch, zwischen Schöngeist und Zeitgeist. Das zeigt auch ein Blick auf die einzige Kunstform, die der Rundfunk hervorgebracht hat: das Hörspiel. Hier herrscht ein fröhliches Kunterbunt aus Bedeutungsschwangerschaft und postmoderner Beliebigkeit, angereichert mit einem guten Schuss Hörfunkklassiker à la Gotthelf und Dürrenmatt, die stauben, wenn man draufklopft.“
Gut, das kommt uns nahe. Und soll doch nicht bleiben. Die großen Hörapparate müssen in Bewegung geraten. Und folgt man Thomas Weibel, dann steht die Zukunft längst vor deren Tür (s.Foto). Es gilt nur noch die Pförtner zu informieren.
„Und genau hier liegt sie, die Chance des Kulturradios: in der grenzenlosen Wildheit einer Kultur, die sich nicht länger an die Gemarkungen eines Rundfunks hält, der sich – jahrzehntelang in behördlicher Vermessungswut abgezirkelt – gegen die Brandung aus Breaking News, Werbeblock und Castingshow mehr schlecht als recht zu behaupten weiss. Crossover und Klangexperiment, Netzlyrik und Slam Poetry, Hinterhofhörspiel und Computerkunst: Hier tröpfelt unbeirrt eine Kultur vor sich hin, die aus dem Verborgenen in eine Öffentlichkeit rinnt – zornig und versponnen, verspielt und radikal, die staunen macht und provoziert.“
Da hat jemand Hoffnung, scheint mir. Ohnehin stirbt die zuletzt. Sicherlich auch jene, die sich „Europa“ nennt und endlich mehr Atem braucht – sicherlich auch in der gemeinsamen Rundfunklandschaft (kann ja noch werden!). Immerhin kommt diese Ausgabe von „Mehrspur“ schon mal mit einem schwer gestöhnten „Ach, Europa, mein Freund!“ daher und nimmt in den dazugehörigen Beiträgen wohltuenden Abstand von den üblichen und verlogenen Sentimentals.
„Das Herz für die Freundschaft Europas schlägt im Takt des Instrumentals. In diesem Fall 90 Beats per Minute. Freundschaftsschwüre gesellen sich in Form von Scratches in die illustre Runde von Drums, Bass und Suitcase Piano. Let’s be friends!“
Bleibt noch das eine und das andere. Vollständigkeit widerstrebt mir. Hören Sie selbst!: Falls Sie Lust haben, auch die galoppierende „Sau des Monats“, die Tom Schimmeck in der gleichnamigen Rubrik durch“s „mediale Dorf“ treibt. Unversteuerte Sauereien werden geboten. Just click it!