Immer wieder hatte er angerufen. Oft des Nachts. Drei Uhr sonstwas. War hilflos, lallte, war verzweifelt. Irgendwann wollte ich nicht mehr zuhören, wusste keinen Rat mehr, duckte mich weg, machte mich rar und plötzlich diese Nachricht: Wilfried ist tot. Wilfried Bonsack, der Dichter, der Verleger, der Freund. Seitdem plagt mich dieses verdammte Schuldgefühl, nicht genug für ihn getan, vielleicht sogar ihn verraten zu haben. Vielleicht gäbe es ihn noch, wenn … Oder war all das unausweichlich?
Alles hatte verdammt gut angefangen, damals, gleich nach der „Wende“, in der Tucholskystraße 28, bei Bonsacks „Jour Fixe“, seinem Literatursalon in Berlin-Mitte, in den er schon zu DDR-Zeiten eingeladen hatte – Wilfried, studierter Philosoph und Theologe, ehemaliger Gustav-Kiepenheuer-Lektor, Chef der BonsaiTypArt und Übersetzer. Als 1992 die Zeit der „Giftsschränke“ und verbotenen Lektüren endlich vorbei war und wir für den Deutschlandfunk die erste große Sendung über seinen Salon machten, waren alle schwer bewegt. Doch dann, ganz allmählich, verloren wir den Atem.
Ich habe in meinem Hörstück (SWR2) versucht, meine Freundschaft zu rekonstruieren, habe mich mit FreundInnen und KollegInnen von Wilfried beraten, versucht mit Hilfe ihrer Erinnerungen zu begreifen, was da trennte, vereinte, was verloren ging. Und was bleibt. Ganz sicher bleibt!