vonDetlef Berentzen 30.10.2013

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Mein Freund Horst meint, Bücher sollte man nicht erschießen. Nicht standrechtlich und überhaupt nicht. Wie er darauf kommt? Nun, er hat neulich den „druckfrischen“ Scheck gesehen, wie der wieder mal am Rollenband arbeitete, Kehlmann, Vermes, Schirach, Mora und andere in die Tonne trat und es für ihn doch wieder nicht zum Ranicki reichte- dazu bräuchte er Stil. Aber weil Scheck, der „Streiter für das Gute, Schöne, Wahre“, stattdessen immer wieder Highlights braucht, sublime Steigerungen in Sachen Vernichtung, zog er bei der irgendwie suizidal verfassten  „Liebe Deines Lebens“  (Cecilia Ahern) indigniert jene Waffe, die meinen Freund so sehr in Rage brachte, daß er einen Brief schrieb, einen offenen, an Ulrich Deppendorf und alle Kulturredaktionen.

Nun ist Horst Petri, wenn man ihn kennt, keiner, der überreagiert, eher ein Berliner Psychoanalytiker und vielfacher Buchautor, engagiert, ja doch, aber jetzt war es dem alten Herrn echt mal zuviel. Setzte sich an den Schreibtisch, haute in die Tasten und  legte „Widerspruch“ ein.

„Herr Scheck ist seit langem bekannt für seinen gnadenlosen Sarkasmus, mit dem er Bücher vernichtet, die nicht seinem Geschmack entsprechen. Sein Sinn für dramatische Inszenierungen erreichte einen vorläufigen Höhepunkt in der Sendung vom 27.10. 2013 und offenbarte die geistige Verfassung des Kritikers in einer erschreckenden Symbolik. Scheck nahm ein Buch vom Stapel der zehn Spiegel-Bestseller, griff vor Verzweiflung über dessen angeblichen Schwachsinn zu einer Pistole, hielt sie sich an die Schläfe, entschied aber im letzten Augenblick nicht sich, sondern das Buch zu erschießen, das in einem Feuerball verglühte.(…)Wird, fragt man sich als Zuschauer, das nächste mal am Ende der Rampe ein Ofen stehen, dessen lodernde Flammen über den Büchern zusammenschlagen?“

Nun sollte man Denis Scheck nicht gleich den Stoff (Öfen!) für die nächste mediale Inszenierung liefern, sondern auch in diesem Falle erst einmal die neunte der dreizehn Thesen zur „Technik des Kritikers“ zu Rate ziehen – Walter Benjamin hat sie für seinen Band „Einbahnstraße“ (1928) formuliert: „Polemik heißt, ein Buch in wenigen seiner Sätze vernichten. Je weniger man es studierte, desto besser!“ Aha! Zumindest von vorläufigen Erschießungen war damals noch keine Rede. Allenfalls von der Waffe der Kritik. Und die war nicht mit Blei geladen. Scheck it out, Brothers and Sisters!

 

 

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https://blogs.taz.de/spurensuche/2013/10/30/buch-auf-der-flucht-erschossen/

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