vonDetlef Berentzen 10.11.2013

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

„Ich bin fünf. Ich bin mit meinem Dreirad unterwegs zwischen Hartmannsdorf und Burgstädt, doch meine Phantasie traut sich die Ferne nicht mehr zu. Ich will gestreichelt und umarmt werden.“

Peter Härtling erinnert sich im Roman „Nachgetragene Liebe“ an seine frühe Kindheit. Am 13. November 1933 in der Chemnitzer Theaterstraße geboren, wuchs er im Hartmannsdorf der Nazizeit auf, inmitten jenes Wahnsinns, der das Leben der Kinder immer enger werden ließ, ihnen vortrug, daß sie nie mehr frei sein würden: „…ihr ganzes Leben lang“. Mit Eltern, Großeltern und Schwester Lore zur Seite widerfuhr Peter Härtling (wie zehn Millionen anderer Kinder – s. Erika Mann) ein Anfang, in dem er immer wieder Halt suchte und manchmal auch fand. In einem späteren Gedicht zu seinen frühen Hartmannsdorfer Jahren heißt es: „Da wirft meine Vergangenheit einen Kinderschatten. Ihr habt ihn nicht wachsen sehen.“

Wie schrieb Peter Härtling noch in der „Nachgetragenen Liebe“? Sein Vater Rudolf habe „mit angehaltenem Atem“ gelebt.  Der Rechtsanwalt war ein heimlicher, ein ängstlicher Regimegegner. Musste sich aber dennoch seine Mandanten unter NS-Fabrikanten und „HJ-Heim-Förderern“ suchen. Auch Mutter Erika fürchtete, ihren Sohn zu verlieren. Hilflose Fassaden wurden errichtet. Der Sohn suchte Halt, Identität, suchte nach dem von den Nazis versprochenen Heldenleben. Schwankte, stürzte mitunter. Hartmannsdorf ist erst der Anfang einer langen und brutalen Flucht der Familie Härtling.

Ich habe für dieses Hörfunkfeature nicht nur in privaten und öffentlichen Archiven recherchiert und oft genug mit Peter Härtling und seiner Schwester Lore über deren Hartmannsdorfer Kindheit gesprochen, sondern mich im Rahmen meiner ohnehin umfassenden biographischen Arbeiten zu Härtling auch ins mittelsächsische Hügelland begeben, um Nachbarn, Ehemalige und Zeitzeugen ausfindig zu machen. Gerade auch in deren Erinnerungen spiegelt sich die zeitgenössische Dramatik der frühen Jahre des bekannten Schriftstellers. (Sendetermin: Sonntag, 10.11 2013, mdr-figaro, 19.05 Uhr)

info&podcast

 

 

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2013/11/10/kinderschatten/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert