vonDetlef Berentzen 13.11.2013

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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„Ich habe für Wolfgang Erk und den Radius-Verlag meine Erinnerungen aufgeschrieben, habe als Achtzigjähriger eine Summe gezogen und da ist mir klar geworden, dass eben jene Nachkriegsjahre, die mich mit ihrer Verlogenheit aufgebracht und aufgerüttelt haben, genauer genommen die wärmenden Jahre waren. Damals habe ich mich noch reiben können. Jetzt regiert das Ungefähre, und es ist eine ungefähre Politik ohne jedes Programm, ohne jede Lust an Entwürfen. Der Begriff Utopie wird verhöhnt. Nichts ist da. Wenn ich politische Debatten höre, dann dominiert der Austausch von Floskeln und ein Austausch von Floskeln macht jemanden, der versucht,  jegliche Floskeln zu vermeiden, einfach  ärgerlich. Fremd macht mich auch die Geschwindigkeit und Schnelligkeit, mit der gehandelt und verhandelt wird und auch gedacht wird.
Das Traurige dabei ist, dass Fremde, wie ich sie begreife, eigentlich bedeutet, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich bin zuhause in meiner Familie, in einer relativ großen Familie mit vielen Kindern und Kindeskindern. Meine Frau hilft mir, nicht unbedingt fremd zu sein. Aber manchmal überkommt mich das Gefühl, das ich noch immer als Flüchtlingsjunge hatte: Du fängst mit denen nichts an und die fangen mit dir nichts an. Das ist auch das, was mich manchmal durcheinander bringt. Doch es gibt Menschen, die mir da immer wieder helfen und die sind wie Wärmeinseln, die ich gut brauchen kann.
(Peter Härtling)

„Fremd bin ich eingezogen….“ Peter Härtling wird heute achtzig Jahre alt. Gegen die „Fremde“, auch die Kälte hat er sich immer wieder schreibend Weggefährten gesucht: Hölderlin, Schubert, Schumann, auch Fanny Hensel oder – wie zuletzt – Uwe Johnson. Hat sie sich zur Seite gestellt, sie erspürt, ist ihnen nachgegangen. Verlassen haben sie ihn nie. Bis heute nicht. Und schreibt weiter. Wenn Härtling in den nächsten Tagen auch feiert, sich feiern lässt, nach all den Auf- und Einbrüchen, nach all den großen Erfolgen und Lobpreisungen, gibt es doch wieder einen neuen Protagonisten (einen Komponisten) , der neben dem Schreibtisch (rauchend vielleicht) auf ihn wartet und erzählt sein will. Denn immer ist es der „Atem der Worte“, der Peter Härtling belebt, aus den Schatten holt. Oft haben wir darüber gesprochen. Schließlich habe ich daraus ein Hörstück gemacht. Just listen!

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