Echte Freundschaft muß jedem Menschen seinen Freiraum lassen. Ich mag’s nicht, wenn man den anderen besetzt oder Anspruch auf ihn erhebt. Den Anspruch, den ich habe, ist die Treue zu mir selbst und das meint auch die Treue zu meinen Freunden. (Hildegard Ruoff)
Als ich im Flur des Hauses stehe, Schellingstraße, Nürtingen, ruft sie schon von oben herunter, jetzt aber und komm rauf. Die Treppe also. Sie hat schon gewartet, aber eben noch mit ihren gewohnt schwungvollen Lettern einen Brief geschrieben, jetzt lacht sie, dieses fröhliche wahrhaftige Lachen, das so viele berührt, auf dem kleinen Tisch der Tee, feine Tassen, Gieß ein!, dazu Gebäck, die Süße steigt uns hinter die Augen und dann schauen wir uns an: Da bist Du ja wieder! Und immer noch!
Später wird Hildegard Ruoff (s. Foto) Gedichte rezitieren, gut balanciert und wohl gefallen von Zeile zu Zeile und ewig blüht dieser Geist und lacht, scherzt und dann runter in die Ausstellung, Bilder, Figuren von Fritz, ihrem Mann, dem Maler und Bildhauer, aber auch ihre Fotografien (nicht Fotos!), „Blüten“, poetische Unschärfen, dazu dann doch wieder Hölderlin: „So kommt!/ Dass wir das Offene schauen, /Dass ein Eigenes wir suchen, /So weit es auch ist.“
Später wieder Tee, ihr Blick, der auch müde sein kann, fröhlich, klug, aufmerksam, immer habe ich Angst, sie erkennt mich, aber das hat sie schon längst und ich habe auch keine Angst, ich will hier sitzen bleiben, draußen der Garten, weiter unten der Neckar, wir sprechen über Freunde: wie geht’s dem Peter?, will sie wissen, der Härtling schreibt gerade, alle schreiben wir und nun ist sie seit ein paar Tagen 95 Jahre alt, man hat sie in Nürtingen gefeiert, überall Kapellen, Blumenkränze, Lobgesänge, das hält sie freudig aus und weiß, da sind die Linien, die sich im Unendlichen kreuzen, so vieles wartet, immer wartet so viel, also der nächste Schritt, das nächste Bild, der nächste Gedanke führt ins Offene. Respekt, Compliments, all das. Herzlichen Glückwunsch, Hildegard! Weiter! Und so.
