vonDetlef Berentzen 17.03.2015

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

Dieses Land hatte zwei Sprachen, immer schon, manchmal hat das Deutsche überwogen, wie im 18. oder 19. Jahrhundert, manchmal war’s das Tschechische. Man vergisst aber hier in Tschechien, daß, wenn das Deutsche stirbt, dann stirbt ein großer Teil der tschechischen Kultur, weil die Archive sind voll deutscher Texte.  (Ingeborg Fialová)

Im Grunde habe ich Tschechien, speziell Mähren, über Reisen und Literatur kennengelernt. Gerade auch während meiner Arbeiten an der Biographie Peter Härtlings. Der hatte einst Verwandtschaft in Brünn und wohnte als Junge eine Zeitlang mit Schwester und Eltern in Olmütz (tschechisch: „Olomouc“). Bis zur Flucht Richtung Österreich. Später erinnert er den Ort. Besucht ihn. Verdichtet ihn.

vom bischofsberg die haube/verwest denn hier kein stein?/das kind spielt in der laube/ ein wappenbild mit taube/das kind spielt: ich bin klein//die mutter springt ins feuer/die gasse stülpt sich um/ein bischof im gemäuer/speist säulenungeheuer/das kind spielt: ich bin dumm.

Wir haben schon vor Jahren im Olmützer Café Mahler darüber geredet, daß es ein starkes Engagement der „Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur“ brauchen wird, um die dortige Tradition von deutscher Literatur und deutscher Sprache zu bewahren, besser noch: um all die Forschungsarbeiten fortzuführen, die junge tschechische StudentInnen gemeinsam mit Professoren der Germanistik seit Jahren jenseits aller historischen Ressentiments betreiben, …um zu finden, was noch in den hintersten Winkeln Mährens an deutschsprachiger Literatur vorhanden ist. Eine hochinteressante Arbeit übrigens, erzählte mir einmal Barbora Veselà, Studentin der Bohemistik und Germanistik:

Es macht uns allen echt Spaß, muß ich sagen. Das hier ist keine Arbeit hinter dem Computer: nur tippen und mich langweilen. Das ist eine Detektivarbeit! Interessant ist, daß diese Literatur fast nicht bekannt ist, man hat freie Hand zur Interpretation und liest auch etwas über sich selbst, entdeckt diese Region ganz neu!

Das Gedächtnis dieser Stadt, der Region, es spricht viele Sprachen. Auch deutsch. Viele Junge haben das längst begriffen. Und manche in diesem Olomouc, diesem Olmütz, diesem Mähren wollen immer noch mehr wissen, mehr erfahren. Sind neugierig, forschen, lesen nach, schreiben darüber, wie das war mit den Deutschen, den Österreichern, den Tschechen, die hier einst zusammen lebten.

 

OlmützBlog2

Die „Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur“ wurde ein paar Jahre nach der „samtenen Revolution“  von engagierten Germanisten wie Ludvík Václavek, Lucy Topolská, Ingeborg Fialová und anderen an der Olmützer Palacky-Universität gegründet. Zentrum der Arbeitsstelle ist ein ständig wachsendes Archiv. Die hohen, lichtdurchfluteten Räume sind vollgestellt mit Buchregalen, Registerschränken, überall stapeln sich alte Zeitungen, Zeitschriften und Manuskripte in deutscher Sprache. Wenn ich vor Ort bin, finde ich hier immer wieder jene Literatur, die Kultur und Geschichte dieser Region lesbar macht. Literatur, geschrieben von unbekannten und bekannten AutorInnen (Ebner-Eschenbach, Musil, Erica Pedretti), denen Mähren und seine einstige Metropole Olmütz Gegenstand von Poesie und Prosa waren.

Kurzum: Es gibt also in Olomouc und Umgebung (jenseits von Prag) eine Menge deutscher Geschichte(n) zu entdecken. Das ist das eine. Das andere: es gibt auch vielfältige Möglichkeiten für ein außerordentliches Studium – vor allen Dingen in den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen. Und das in deutscher Sprache! Gerade neulich drückte mir Ingeborg Fialová ziemlich glücklich einen Prospekt in die Hand: Österreich und Deutschland unterstützen eine Kampagne (mit dem etwas blassen Titel „Sprechtime“), die u.a. ein deutschsprachiges Studium in Olmütz ermöglicht.

Neben dem breiten Angebot an Fächern, die sowohl von den hiesigen Spezialisten aus verschiedenen Lehrstühlen und Fakultäten, als auch von Gästen aus Deutschland und Österreich auf Deutsch unterrichtet werden, bieten wir Ihnen eine Rund-Um-Pflege bei der Planung und Durchführung Ihres Studienaufenthaltes in Olmütz. Es ist einerlei, ob Ihre Heimatuniversität einen Erasmus-Vertrag mit der Olmützer Universität abgeschlossen hat. Sie können sich problemlos für einen Stipendienaufenthalt in Olmütz anmelden. Das Studium ist kostenlos.
Olmütz ist eine ideale Stadt für einen Stipendienaufenthalt: beschaulich, nicht allzu groß und laut (ca. 100 Tsd. Einwohner, ein Viertel davon, fast 25 Tsd., sind Studenten), mit erschwinglichen Wohnpreisen (100-150 €/M. im Studentenwohnheim) und Lebenshaltungspreisen (max. 400 €/M. für Verpflegung) und attraktiven Angeboten für das studentische Leben.

Studieren in einem lebendigen und schwer barocken Winkel zwischen Wien und Prag? Keine schlechte Idee.

Kontakt
Prof. Dr. Ingeborg Fiala-Fürst,
Lehrstuhl für Germanistik
Philosophische Fakultät
Křížkovského 10
CZ-77180 Olomouc
mail: ingeborg.fialova@upol.cz
http://germanistika.upol.cz/

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2015/03/17/studium-in-olomouc-hier-spricht-man-deutsch/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Sehr geehrte Frau Prof. Fialova-Fürst,
    den hier auf Tschechisch eingeleiteten Text von Ihnen empfahl Libor Behul:

    Skvělý text. Doporučuji!!!
    Tím, že přestáváme rozumět německy, se odřezáváme od svých kořenů a kultury, říká profesorka Fialová
    Profesorka Ingeborg Fialová založila spolu se svými kolegy na katedře germanistiky FF UP Centrum pro výzkum moravské německy psané…

    Gibt es den Text auch in Deutsch?
    Freundlichen Gruß von PD

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert