vonDetlef Berentzen 23.03.2015

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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„Wenn mein Ende nicht mehr weit ist, ist der Anfang schon gemacht….“ Die Platte knackt ein wenig – alt genug ist sie ja. Frau K. nickt, streckt auf der verwitterten Fensterbank ihre schwarz lackierten Zehennägel Richtung Frühling und schüttelt das lange rote Haar. Sie kennt ja nicht viele Bayern, aber diesen wunderbaren Kokser, der da so energetisch singt, den hat sie nicht vergessen. Der gehört dazu. Immer noch. Und es stimmt doch, man sollte, alt genug, wieder einen Anfang machen, vor dem Ende, weil der Sommer vielleicht gar nicht mehr so weit ist, noch einen Anfang also, einen nur, das wär’s doch: „Weil’s dann keine Kleinigkeit ist, ob die Zeit vertane Zeit ist, die man mit sich zugebracht.“

Brian, der alte Parteienforscher, steigt von seinem 1a-Seniorenkreuz, nimmt noch einen Zug und brummt freundlich: „Nichts ist vertan. Seit Jahrzehnten singt der Wecker gegen das kaputte Immergleiche an. Hat noch Atem genug. Doch den Willy und diesen Amadeu erschlagen sie jeden Tag neu!“ Brian atmet schwer. Auf den Terrassen gegenüber hocken satte Investorengötter. Und schon Schweigen ist Betrug.

Frau K. staunt: „Von wann ist die Aufnahme? 1977?“ Die Platte knackt noch ein wenig lauter. Die Sonne wärmt bereits. Am Ufer versuchen es die Weiden mit dem ersten Grün. „Abfackeln, aufklatschen, ja wo samma denn, Willy?“ Brian nimmt resigniert die Platte vom Teller und flucht leise: „Und was sollen wir jetzt tun? So alt? Und ohne Rente?“ Frau K. schließt die Augen und stöhnt ein wenig: „Was schon? Wir sagen Nein! Wie immer!“

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