Ich habe im Laufe der letzten Jahre (und Jahrzehnte) eine Menge umfängliche Sendungen zum Thema „Demokratie“ geschrieben und produziert. Immer und wieder. Als ich jetzt hörte, wie ob der Bremenwahl und der dortigen Wahlbeteiligung genüßlich lamentiert wird, allemal mit dem Tenor, daß man jetzt aber und überhaupt, als ich also wieder las, wie sich das Immergleiche artikuliert und das ohne jede Scham, wurde ich für einen kurzen Moment ein wenig müde, stieg dann aber hinab in mein Archiv und fand dort längst gesendete, aber passrechte Reaktionen auf die aktuellen Routinen der üblichen Verdächtigen – Reaktionen, Kommentare, die nach wie vor richtig sind und es auch bleiben. Immer und morgen wieder. Und folgenlos. Da dreht sich etwas verdammt im Kreis. Und dann und wann ein weißer Elefant. Guckst Du! (db)
Das deutsche Volk ist ein Volk von Freien und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei! (Jacob Grimm, Paulskirche,1848)
Das moderne Medienzeitalter hat in der Politik vor allem zur Folge gehabt, dass Politiker oder Nachwuchspolitiker nicht mehr so sehr Überzeugungstreue und die Suche nach der richtigen oder besseren Lösung, sondern immer stärker die mediale Widerspiegelung ihres eigenen Images für das Entscheidende halten. Der Politiker ist also gewissermaßen eine Art Politkommunikator, der gefallen will und seine Berater danach fragt, wie er beim Publikum ankommt. Er interessiert sich weniger für die Sache an sich, sondern allenfalls dafür, ob sein Image ihm hilft, eine bestimmte Position zu erlangen, die er dann zwecks Wiederwahl verteidigt. (Hubert Kleinert, Professor für Politikwissenschaften und Verfassungsrecht, Gießen)
Also ich glaube, wir haben einen Teil der Bevölkerung schon fast verloren – wie man die wieder gewinnt für die Politik, das ist eine ganz schwierige Frage. Es gibt Stadtteile, wo 75 Prozent der Wahlberechtigten nicht zur Wahl gehen – dort sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man Leute kennt, die überhaupt noch irgendwas mit Politik zu tun haben. Und das verursacht Selbstverstärkereffekte: wenn niemand über Politik redet, niemand auf die Idee kommt, eine Bürgerinitiative zu gründen, wenn man niemanden kennt, der schon mal eine Petition geschrieben hat, einen Brief an einen Abgeordneten, dann kommt man selber auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf die Idee, das selbst zu tun. (Armin Schäfer, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung)
Was ich ebenfalls spüre, ist ein Bedürfnis nach Orientierung. Ein Bedürfnis nach Orientierung, dem die großen gesellschaftlichen Mächte, die es ja immer noch gibt, bisher viel zu wenig Rechnung tragen. Was es bei relevanten Minderheiten spürbar gibt, ist ein Bedürfnis nach mehr Ernsthaftigkeit – also dieser ganze mediale Klangteppich, der unseren Alltag bestimmt, der besteht ja nur noch aus einer sich totlaufenden Unernsthaftigkeit. Man hat irgendwie das Gefühl, niemand nimmt irgendetwas wirklich ernst. Damit tröstet man sich dann über die harten Realitäten des Lebens hinweg. (Hubert Kleinert)
Der Hintergrund für die Unterschiede in der Wahlbeteiligung ist einfach, dass wir eine soziale Segregierung der Städte haben und dass die Lebenswelten in Großstädten extrem unterschiedlich sind: hier die bürgerlichen Vororte, dort die sozialen Brennpunkte. Es wird für die Demokratie richtig bedenklich, wenn Politiker sagen: na ja, es lohnt sich nicht mehr, in diese Stadtteile besonders zu investieren, die Schulen zu verbessern, bessere Wohnungen zu bauen, weil dort ohnehin keiner zur Wahl geht, das wird uns eh nicht gedankt, deswegen konzentrieren wir uns lieber auf Stadtteile, in denen was zu holen ist – im Sinne von Wählerstimmen. Den Eindruck gewinnt man einfach auch dann, wenn man durch die Städte geht und sieht, wie unterschiedlich die Lebensverhältnisse in den einzelnen Bezirken sind. (Armin Schäfer)
Sämtliche Zitate aus meiner Sendung „Demokratie in der Krise – Strategien gegen die Verdrossenheit“ (SWR2, 2010)