Hallo Michael, man hört gar nix mehr von dir! Steht es so schlimm um Felix Austria? Melde dich mal. d.
Mein lieber Detlef,
es steht noch schlimmer! Wie ich dir längst erzählt habe, wurden in den 1940er Jahren 60.000 Menschen vom Wiener Aspangbahnhof per Viehwaggon in die Vernichtungslager des Ostens transportiert. Ich habe dazu, du erinnerst dich, vor eineinhalb Jahren das Photoprojekt „futura expulsa“ gemacht. Doch damit war nichts erledigt: Der Geist, der zigtausende Wiener und Wienerinnen zu willigen Helfern des NS-Regimes werden ließ, ist noch immer sehr lebendig in dieser Stadt. Deshalb habe ich seit voriger Woche in einer Photoinstallation die sogenannten Arisierungen im Servitenviertel thematisiert. Das Servitenviertel ist auch das Viertel, in dem Sigmund Freud bis zu seiner Vertreibung lebte. Schon bei der Vernissage gab es heftige Diskussionen um Flüchtlinge, die nach Meinung aufgebrachter Wiener umgehend wieder abzuschieben seien.
Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Berlakovich-Jenewein hat diesem elenden Volksempfinden gerade eben im Parlament Ausdruck verliehen, indem sie empfahl, Flüchtlinge per Hercules-Flugtransporter zu deportieren, denn „da können sie so laut schreien, wie sie wollen.“ So würde „der Asylindustrie der Garaus gemacht“. Ob die Hercules-Maschinen dann über dem Meer einfach die Klappen öffnen sollen und ihre menschliche Fracht unmenschlich ins Wasser schmeißen sollen, hat sie nicht mehr explizit ausgeführt. Es würde wohl die einzige Option sein, denn die Hercules ist eine Militärmaschine, die auf keinem zivilen Flughafen würde landen können. Und nachdem Österreich keinem Militärbündnis angehört, bietet sich auch nicht die Miltärbasis eines Bündnispartners an.
Was wir daraus lernen? Fremdenfeindliche Positionen sind in Österreich tendenziell mehrheitsfähig – die FPÖ ist laut aktuellen Umfragen stärkste Partei – und eigentlich hat sich seit den NS-Deportationen hierzulande nur die Einstellung zu technisch-logistischen Fragen geändert.
Freundschaftliche Grüße aus der Donaustadt
M