vonDetlef Berentzen 05.10.2015

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Die Deutsche Presse-Agentur hatte am Nachmittag berichtet, die irische Billigfluglinie Ryanair plane, Flüchtlinge ohne Visum von Kos nach Westeuropa einzufliegen. Bei der zugrundeliegenden Pressemitteilung handelt es sich nach Angaben von Ryanair um eine Fälschung. Eine solche Unterstützung der Flüchtlinge ist daher offenbar nicht geplant. In der angeblichen Ryanair-Mitteilung wiedergegebene Äußerungen von Marketingchef Kenny Jacobs seien vollständig erfunden, teilte das Unternehmen selbst mit. Die dpa zog die Meldung zurück und entschuldigte sich auf Twitter bei ihren Kunden und der Fluggesellschaft. (FAZ.net)

„Jedes Unternehmen hat seine eigene Abteilung für Public Relations. Ebenso jede politische Partei. Und jede religiöse Gemeinschaft. Und jeder x-beliebige Promi. Und wir? Die Zivilgesellschaft? Wer kommuniziert unsere Moral? Wer managt unsere Wut über die Schweinereien in der Welt? Wer kämpft mit scharfer Kralle für unsere gute Sache? Für unsere berechtigten Interessen? Wer erklärt dem Unrecht den PR-Krieg?“ (Peng!Collective)

Die Kamera fliegt über eine gewaltige Brücke im Sonnenuntergang, im Hintergrund stimmen Streicher ein dramatisches Fanal an. „Österreich hat schon oft bewiesen, dass es Bedeutsames schaffen kann“, sagt eine Stimme. „Lassen Sie uns eine Brücke in die Zukunft bauen.“ Und was für eine: Eine massive Brücke von Afrika nach Europa, 230 Kilometer lang, vom tunesischen Küstenort Al Huwariyah nach Agrigento auf Sizilien. (rp-online)

Tatsächlich handelt es sich bei der Brückenaktion um eine Aktion des Berliner Zentrums für Politische Schönheit, das mit politischer Aktionskunst seit Jahren für Furore sorgt. Sie sperren sich dagegen, dass die Ankündigung des Brückenbaus ein Fake sei, ebensowenig wie die Verankerung einer Rettungsplattform im Mittelmeer. Als Absender der „Presseaussendung“ werden die Republik Österreich und deren Flüchtlingskoordinator Christian Konrad genannt, ebenso das Zentrum für Politische Schönheit und das Festival „Wienwoche“. „Die Brücke werde die Lebensader zweier Kontinente“, erklärt Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des Zentrums für Politische Schönheit. Sie werde nicht nur Hunderttausende Leben retten, sie werde als Denkmal für die europäische Menschlichkeit Jahrhunderte überstehen. „Utopie ist eine Waffe“, so Ruch wörtlich. (rbb)

 

Schon im Jahr 2000 widmete sich Christoph Schlingensief dem Thema Fremdenhass im Rahmen seiner Installation Ausländer raus! Schlingensiefs Container, eine Art Big Brother für Asylbewerber, wobei die Zuschauer die Asylbewerber nicht nur aus dem Container, sondern auch aus dem Land herauswählen durften. Die Online-Wahlbeteiligung war groß. Vielleicht würde er heute hunderttausend Gummiboote im Mittelmeer schwimmen lassen, für jeden Flüchtling, der sich in den letzten Jahren übers Meer gewagt hat, eines. Vielleicht wäre er selbst über das Wasser gewandelt, über die Boote, meine ich. Er, der in den letzten Jahren seines Lebens dem christlichen Erlöser-Pathos etwas zu viel zugesprochen hatte, wie Omilein dem Eierlikör. Vielleicht noch ein Gläschen, und noch eines… Kann ja nicht schaden. (Der Freitag)
Zentrum für Politische Schönheit

Give refugees a Lift (peng!)

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