Lieber Detlef,
sage und schreibe 70 Jahre hat es gedauert, bis Wien ein Denkmal für die wenigen Deserteure bekommen konnte, die ihren Widerstand gegen den nationalsozialistischen Terror und Vernichtungskrieg im Sinne Wolfgang Borcherts zeigten. Nicht wenige von ihnen bezahlten ihren Mut mit dem Leben. Die Republik Österreich wollte ihnen das jahrzehntelang nicht danken. Noch 2005 gab es hochrangige Politiker, die öffentlich behaupteten, Deserteure seien „Kameradenmörder“ gewesen. Dennoch: Das Denkmal (s.o.) zu Ehren der Deserteure wurde heuer in einer Nische des Ballhausplatzes vis-à-vis von Bundeskanzleramt und Hofburg feierlich eingeweiht.
Dass rechte Recken ihre Angst vor allem, was nicht so aussieht und riecht wie sie selbst, lautstark in die Welt pöbeln, ist nichts Neues. Das tun sie überall. Gestern fand sich also wieder mal eine Gruppe von 300 „schwer Bedrohten“ in Wien zusammen, um gegen Flüchlinge zu stänkern. Wie gesagt: An sich nichts Neues, nichts Besonderes. Für eine spezielle Wiener Note sorgte indes die hiesige Polizei. Sie gestattete den rechten Rabauken tatsächlich, ihr Rednerpult direkt auf das Deserteursdenkmal zu stellen und von dort aus wortreich ihren Verblendungszusammenhang zu verbreiten.
Auf eine erste Anfrage der Grünen dazu erklärte die Wiener Polizei, dass dieser rechtsradikale Auftritt auf dem Deserteursdenkmal durchaus rechtens gewesen sei. Wörtlich heißt es in der Begründung: „Der Aufstellungsort des Rednerpults widerspricht keiner gesetzlichen Bestimmung. Gerade die Polizei geht in diesen Tagen besonders sensibel vor, um jegliche Art von Aufregung zu vermeiden“.
Wir merken uns also: Das Andenken an die Deserteure des Zweiten Weltkrieges mit Füßen zu treten, ist in Wien rechtlich zulässig. Und die Wiener Polizei sorgt dabei für die nötige Sensibilität.
Auf bald
M