Servus, du alter Berliner,
ich hatte fast schon keine Hoffnung mehr, aber es geht bei uns voran: Täter können sich in unserer Alpenrepublik ihre Opferrolle schriftlich von der Justiz bestätigen lassen! So geschehen unlängst in Graz. In der „Aula“, einem Verlautbarungsorgan stramm rechter Gesinnung, hat Herr Fred Duswald, Mitglied der Münchner Burschenschaft „Danubia“, einen Artikel mit dem Titel „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „Raubend und plündernd, mordend und schändend plagten die Kriminellen das unter der ,Befreiung‘ leidende Land. Eine Horde von 3. 000 Befreiten wählte den Weg ins Waldviertel im Nordwesten von Niederösterreich und wetteiferte dort mit den sowjetischen ,Befreiern‘ in der Begehung schwerster Verbrechen.“ In diesem Zusammenhang werden die KZ-Opfer auch gleich taxfrei als „Landplage“ bezeichnet. Der Grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser, ein honoriger ehemaliger Gymnasialdirektor aus Vorarlberg, hat daraufhin eine Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Graz erstattet. Diese hat sich den inkriminierten Artikel zu Gemüte geführt und ist zu der für die steirische Justiz offenbar völlig logischen Erkenntnis gelangt, es sei „nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte“.
„Belästigung“! „Nachvollziehbar“! Waren es nicht die Bewohner der Umgebung Mauthausens, die noch im Februar 1945 bereitwillig und zuhauf an der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“ beteiligt waren. Damals waren rund 400 sowjetische Häftlinge aus dem KZ Mauthausen entkommen. Die SS startete daraufhin unter tatkräftiger Mithilfe der Einheimischen Jagd auf die Entfohenen. Letztlich haben nur elf der Geflüchteten überlebt, weil sie von einigen wenigen verbliebenen Menschen aufrechter Gesinnung im Mühlviertel versteckt wurden. Die Ereignisse sind mehrfach umfassend dokumentiert, so unter anderem im Film „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ des österreichischen Regisseurs Andreas Gruber. Angesichts dieser Ereignisse und der hohen Zustimmung, die das NS-Regime speziell auch im Großraum Linz, das die „Führerstadt“ hätte werden sollen, erfuhr, ist es natürlich nicht verwunderlich, wenn die Grazer Staatsanwälte finden, dass sich die ortansässige Bevölkerung mit Recht durch ehemalige KZ-Häftlinge belästigt fühlte. Wie heißt es doch bei Qualtingers Herrn Karl: „I hab nur an Juden g’führt. I war ein Opfer. Andere san reich worden; I war a Idealist.“ An dieser Einstellung hat sich nix geändert.
Grüße aus Wien
Danke für diese aufgebrachte Aufklärung,
sagt Peter Härtling.