vonDetlef Berentzen 02.06.2016

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Das Beste am Hund, sagen Kenner, sind die Hundeaugen: jeder Seelenschmerz, den du verspürst, spiegelt sich im Hundeblick, tiefe Zuneigung, Trauer, sklavische Treue bis hin zur Selbstaufgabe – ein Sado-Maso-tier. – Mein Blindenhund, hätte ich einen, müsste sich einsam fühlen: ich kann seinen Blick nicht erwidern! Aber Blindenhunde sind wieder Mode, und mitreden wollte ich schon. Ich fragte Till, er wohnt in der Nähe, zweiter Hinterhof, dritter Stock … (Bernd Kebelmann: „Ich hasse BLINDE(N)HUNDE“)

 

Bernd Kebelmann ist so einer. Mit dem sitzt du in der Kneipe, tastest dich mit ihm durch den Regen oder rufst ihn an, palaverst über Geschriebenes und erzählst eben noch den letzten Irrwitz, da hockt er schon Minuten später mittendrin, macht seine Tastatur fix und fertig und lässt dich staunen. So auch neulich, als ich ihm flüsterte, daß ich gerade suchend und schreibend in Sachen Blinde Detektive, Hunde und Kultur unterwegs war und zwecks Recherche mal mit seinem Führhund sprechen wollte. Er hatte aber gerade wie immer keinen zur Hand und schrieb stattdessen: Über das Beste am Hund. Auch über seinen alten Freund Till. Närrisch genug. Doch davon ein andermal mehr.

Denn einer wie Kebelmann, der schreibt nicht nur, der präsentiert sein Geschriebenes auch noch lesend, macht es hörbar. Schon damals, als er mir mein Droste-Hülshoff-Westfalen erzählte. Das frühsommerliche. Hat es erzählt, wie nur er es kann.

 

(…) Nachts schimmern Sterne im nassen Asphalt
fliehen den Kohlgestank, gummisüß
springen vom Dammweg ins Wasser
zu Schubschiffen, Schilfrascheln, Entenschlaf
zu Blei, Schlei und Froschgeflüster

Ein Güterzug, unter der Brücke hervor
die E-Lok im Generalbaß
stopft die schwülwarme Luft mit Gedröhn
kreuzt den Singsang der Autoschlangen
auf gerader Straße ins Münsterland

Scheinwerfer flirren wie Glühwurmfäden
die Luft schmeckt nach Ruß, der die Fahrbahn schmiert
für die Schnecken, die auf dem Kreuzweg
in jeder traumwachen Sommernacht
an der Ewigkeit kleben bleiben

 

Kebelmann dichtet. Verdichtet. Sogar den Jesus. In der Samariterstraße. Und er sammelt und versammelt: AutorInnen, LeserInnen, HörerInnen, hat seinen Fanclub, aber auch die KollegInnen von der „Gesellschaft für Neue Literatur“ (GNL). Mit denen trifft er sich immer wieder und regelmäßig und allemal bei Schmitz und seiner Katze in der Kreuzberger Oranienstraße. Auch an diesem Wochenende, während der „Langen Buchnacht 2016“ .

Wie schreibt er noch: „Wir werden zwei Stunden lang Wort für Wort, Satz für Satz, Text für Text Geschichten erzählen, vorlesen, aufführen, sie euch und Ihnen in die Ohren blasen.“ Um neunzehn Uhr am Samstag soll das große textatische Blasen der GNL losgehen – so in etwa jedenfalls. Ebenfalls dabei Julia Werner, Edda Meinhold, Wolfgang Fehse, Jens Grandt, Ludger Bruckmann und Daniela Scharrer. Just go and listen!

Ortsbestimmung

Bernd K.

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