Wieder diese Glockenschläge. Tag für Tag und gnadenlos. Immer zur Mittagszeit läutet die Profane für Freiheit, Würde und gegen jedwede Tyrannei. Und immer wieder richte ich mich am Schreibtisch ein wenig auf, halte inne, wenn sie vom Schöneberger Rathaus herüber klingt, schaue auf die Straße, ob vielleicht jemand merkt, sich erinnert und fragt, warum überall diese Sonderangebote für Schuberts „Winterreisen“ plakatiert sind und warum die gute alte Hoffnung so oft in Lagern, vor Zäunen, in Ruinen und auf dem Meeresgrund verreckt – lange schon.
Doch jetzt ist Frühling, die Zeit der blauen Bänder. Marschflugkörper leuchten, die Sonne wärmt und die Herzen frieren. Ich lausche dem Rest vom Freiheitsgeläut. Und warte. Wie immer kommt im Verwehen des Glockenklangs der Alte mit der Pfeife im Mund vorbei, blinzelt durch seine dicke Hornbrille und raunt: „Zuviel Geduld!“. Dann sprüht er es auf die rissige Hauswand gegenüber: „Hope sucks! If you miss it!“ Extrem haltbar der Mann, denke ich und will ihm noch ein Lachen spendieren. Doch da schlurft er schon weiter.