Feuchter Morgen sprüht mir ins Gesicht, der tiefe Himmel graut bis hinter die Stirn – nicht nur die seltsamen Herrschaften im Reichstag machen uns frösteln. Unter der alten Lederjacke braucht es eine Daunenweste, irgendetwas quietscht, die Fahrradkette scheint unzufrieden, könnte ein bisschen Fett vertragen, die Reifen stöhnen, brauchen Luft, ich atme mich den Schöneberg hinunter, die Frau vor mir trägt Ölzeug, fährt ein nasses Baguette auf ihrem Gepäckträger spazieren, dann biegt sie ab, ich bin wieder allein, lausche: am Haus da vorne balgen sich jede Menge Spatzen im Efeu, großes Theater, da wird schwer palavert, ein freundlicher Altbau, Licht hinter den Fenstern und die Ampel natürlich wieder rot, man wartet, wird zunehmend Teil von all dem Grau, feuchtet durch bis auf den Grund und da kommt plötzlich dieser immense Schneemann, bleibt mitten auf dem Zebrastreifen stehen, dreht dir eine Rübennase und lacht – wir kennen uns, seit Kindertagen schon! Irgendwann schließlich der Wittenbergplatz, der Geldautomat ist für heute gesperrt, wie so oft: Dringende Wartung!, ….die brauche ich auch, besuche die alte Honeypenny am Winterfeldtplatz, die Gute hat’s warm und ne Kerze flackert auch. Dann heißen Tee. Und irgendwie ein klein wenig Hölderlin: Wo Not ist, wächst das Rettende auch! Meistens jedenfalls.
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