vonDetlef Berentzen 13.01.2018

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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„Isst du Schwein, darfst du rein“, mit diesen Sprüchen bin ich in Innsbruck aufgewachsen. Einer ihrer Verfasser ist jetzt – man glaubt es kaum – Österreichs Innenminister. Herbert Kickl, ein Hetzer erster Stunde, kontrolliert nun Polizei und Geheimdienste – und bestimmt die Asylpolitik des Landes. Wohin führt das?“ (Emran Feroz, taz 4. Januar 2018)

 
Mein lieber Detlef,
einen heftigen Jahresbeginn beschert uns die neue Regierung. Mit erstaunlicher Ehrlichkeit öffnen die schwarz-blauen Herrschaften die Büchse der Pandora. Da wird nichts schön geredet, nichts verbrämt. Hier wird Klartext gesprochen und entsprechend gehandelt. Möglichst flott. Ob das sich das österreichische Wahlvolk das genau so gewünscht hat, wird sich noch weisen.

Die Wählerschaft von FPÖ und ÖVP besteht zur überwiegenden Mehrheit aus lohnabhängig Werktätigen ohne akademische Ausbildung. Ist auch logisch: Österreich hat eine Selbständigenquote von 11%. Die Akademikerquote ist ähnlich bescheiden. ÖVP und FPÖ haben bei der letzten Nationalratswahl 57,5% der gültigen Stimmen erreicht. Was bekommen diese Wählerinnen und Wähler nun von ihrer neuen Regierung? Dazu ein paar Beispiele.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck: „Mein Part ist generell, nämlich darauf zu achten, dass die Unternehmen das bekommen, was sie brauchen, damit wir Wirtschaftswachstum haben und Arbeitsplätze schaffen.“ Wir halten fest: Die Ministerin kümmert sich darum, dass die Unternehmen bekommen, was sie brauchen. Heißt: Billige Arbeitskräfte.

Dazu passt die nächste Maßnahme. Der neuen österreichischen Bundesregierung gefällt das „altbewährte“ deutsche Billigarbeitskraftsystem Hartz IV. Das wird nun auch in der Alpenrepublik eingeführt. Bis dato hatten Langzeitarbeitslose hierzulande als soziale Absicherung die sogenannte Notstandshilfe. Ein reduziertes Arbeitslosengeld, das ohne zeitliche Begrenzung bezogen werden konnte und den Vorteil hatte, dass zum einen weiterhin Beiträge in die Pensionskasse bezahlt wurden und zum anderen nicht aufs Vermögen zugegriffen wurde. Das kleine Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung blieben unangetastet. Das soll sich nun ändern.

Die Notstandshilfe wird abgeschafft! Langzeitarbeitslose kommen in die Mindestsicherung. Das heißt: Keine Beiträge mehr in die Pensionskasse und Verkauf des Vermögens. Wer ist davon konkret betroffen? Rund 160.000 Menschen, davon 80% Österreicherinnen und Österreicher, 30% von ihnen über 50, mehrheitlich Männer. Wer von diesen hat Vermögen? Nun, vor allem Menschen am Land, die ein kleines Häuschen besitzen. Viel ist da aber nicht zu holen. So werden Einfamilienhäuser im Südburgenland, einer besonders strukturschwachen Region mit 50.000 – 70.000 Euro gehandelt. Bei Zwangsversteigerungen wechseln die Immobilien mitunter um den halben Wert den Eigentümer. Mietwohnungen gibt es in solchen Gegenden kaum. Das heißt, die Leute müssen in die Städte ziehen und dort teuer zur Miete wohnen. Das kostet den Staat dann wieder Extrageld.

 


Zusätzliche Kosten für die Republik wird auch die erste Entscheidung des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und numehrigen Verkehrsministers Norbert Gerwald Hofer (FPÖ) verursachen. Er feuert die aktuelle Aufsichtsratsvorsitzende der Österreichischen Bundesbahn Brigitte Ederer. Die ehemalige Siemens-Finanzvorständin Ederer ist nämlich Parteimitglied der SPÖ. In so jemanden hat Herr Hofer kein Vertrauen. Das schenkt er lieber Arnold Schiefer, derzeit Manager der „Heta Asset Resolution“, einer Abbaubank, die die Reste der teuren Hypo-Alpe-Adria-Pleite verwaltet. Ob Schiefer ein guter Manager ist, lässt sich schwer sagen. Zuvor saß er im Chefsessel des in Konkurs gegangenen Baukonzerns Alpine. Gewiss ist jedoch, dass Arnold Schiefer mit dem Säbel umzugehen weiß. Er ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft „Teutonia“! (Ein „strammer Bursche“ also! d. säzzer) Das flößt dem Minister Vertrauen ein. Ederers Vertrag indes wäre noch bis 2020 gelaufen. Die vorzeitige Auflösung kostet gutes Steuergeld.

 
Ordentlich Steuergeld wird auch für das erste Großprojekt des neuen Innenministers Herbert Kickl (s.o.) fließen müssen, so es denn umgesetzt wird: „Grundversorgungszentren“ für die Konzentration von Flüchtlingen. Im Original lautet das dann so: „Es ist nur ein Begriff, diese Grundversorgungszentren, für eine entsprechende Infrastruktur, wo es uns gelingt, diejenigen, die in ein Asylverfahren eintreten, auch entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten, weil es unser gemeinsames Interesse sein muss, sehr, sehr schnell zu einem entsprechenden Ergebnis auch zu kommen.“ Aha! Konzentriert an einem Ort halten? Hatten wir schon einmal! Österreicher erfüllten wichtige Aufgaben in diesen Strukturen. Wie gesagt, die neue Regierung spricht Klartext. Mario Kunasek, der neue Verteidigungsminister unterstützt seinen Kollegen Kickl im Innenministerium mit einem Ergänzungsvorschlag: Er stellt sich für die hiesigen Asylwerber eine verordnete „Nachtruhe“ vor.

Es wird Nacht in Österreich.
Ich harre aus.
Auf bald
M.

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