Keiner will sich entscheiden. Nicht einmal das Wetter. Und Winter ist nicht, nur stundenweise. Wenn überhaupt. Alles auf Abruf, alles anders, alles Klima und Killer und nennt sich immer noch Deutschland. Keine Ahnung, was das ist, was es wird, dies Deutschland, ich weiß nur, was es war: „Schneeballwerfen auf dem Schulhof verboten!“, ich erinnere mich, das war Deutschland: Jede Menge rotköpfige Nazilehrer (mit dicken Brillen und grauen Jacketts), aber im Winter auf dem Schulhof zumindest warme Sozialmilch aus Glasflaschen und wenn es sich ergab, haste vom Lehrkörper der Pausenaufsicht einen in die Fresse bekommen: „Heb das Papier auf, aber sofort!“ Immerhin, das zerknüllte Butterbrotpapier lag im weißen Schnee.
Es gab also Schnee, ich erinnere mich genau. Der lag winterlang und in dem standen wir gestiefelt, gespornt am Ende der Pause, in Reih und Glied, nach Klassen aufgestellt – Sexta, Quinta, Quarta, Untertertia etc. – und dann schweigend rauf ins Klassenzimmer und schon wieder keine Hausarbeiten gemacht. Warum auch? Draußen lag Schnee und nach der Schule bauten wir Sprungschanzen, Iglus, stapften mit unseren Schlitten den Berg rauf und dann ab wie der Rennfahrer Stirling Moss!
Es gab nichts Besseres als diese verschneiten Nachmittage, die erst am Abend endeten. Wir kamen verdammt hungrig nach Hause. Oft zu spät. Aber ne Stulle mit guter Butter war immer drin. Und dann noch Düsseldorfer Senf oben drauf – meine Oma wusste, was gut war. Draußen leuchtete derweil zärtlich der Schnee. Vielleicht auch irgendein Mond. Und im Hof die sentimentalen Eichen, wie in Heines Deutschland, dem Wintermärchen. So könnte es tatsächlich gewesen sein.
… nicht Stirling Moss, wie Georg Thoma!