vonDetlef Berentzen 24.07.2018

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Es ist heiß heute, viel zu heiß. Der Tag verbrennt flimmernd vor deinen Augen, Schweiß tropft, Erinnerungen fliegen, du sitzt auf der deutschen Bank unter der Hochbahn, plötzlich Meeresrauschen hinterm Kottbusser Tor, Möwengeschrei und der alte Regener surft bäuchlings auf seinem Brett vorbei Richtung Wiener Straße. Dort wird er nie ankommen, aber das weiß er noch nicht – Träume sind so.

Kein Wort zuviel, aber ein kleiner Wind vielleicht, dazu ein Hafen, das wäre prima, ein Schiff legt an, keine Meuterei, aber verspätet, klar doch, alles ist hier viel zu spät, aber immer noch besser als die quietschgelbe U-Bahn, in der eben noch ein ewiger Atze mit seinem Pitbull saß, der streichelte den Köter und zischte gefährlich: „Hau ab, Du Luder“, konnte sie dabei aber nicht direkt ansehen, die verfilzte Obdachlose ihm gegenüber, nur Hau ab!, das schrie er, immer wieder, außer Atem, den Körper gespannt für den nächsten Schlag, aber ich flüstere: Lass mal, Alter! und ich kann so flüstern, dass solche wie Atze es tatsächlich lassen und ihr Maul halten. Ich ertrage es immer noch nicht, wenn alle wieder Kristallnacht spielen, alles Fremde vor sich hertreiben, um im nächsten Narkosestübchen ihre Molle auf den Thresen zu kotzen und danach wieder ab in die U-Bahn und neue Opfer suchen. Pfui Deibel!

Die miese Wirklichkeit der Schächte spült mich wieder hinauf auf’s leuchtende Deck, das Schiff legt ab, ich schau hinauf zur Brücke und sehe, dass der Erste Offizier den schwarzen Stern der Tupamaros trägt. Dem Mann kann man vertrauen, den kenne ich, der züchtet prima Nachtschattengewächse und wird erst wieder in Hamburg bei der Roten Flora anlegen. Unter Deck sitzt Pocahontas barfuß am Klavier und träumt sich den nächsten Weiberrat. Es ist eben immer noch heiß genug, die Maschinen stampfen, Richtung Horizont verglüht der Abend und der nächste Morgen kommt bestimmt.

 

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