vonDetlef Berentzen 06.08.2018

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

Lieber Detlef,

auch das muss mal gesagt werden: unabhängigier und kritischer Journalismus hatte es noch nie leicht in Österrreich. Du weißt das aus eigener Erfahrung: erst kürzlich hast du über den vorauseilenden Gehorsam beim ORF berichtet, der verhindert, dass eine kritische Reportage zum Thema Rassismus im vielgesehenenen Vorabendprogramm gezeigt wird – sowas hat die neue Regierung nicht so gern. Der freiheitliche Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates ließ dem Staatsfunk schon ausrichten, dass „wir von den Auslandskorrespondenten ein Drittel streichen werden, wenn diese sich nicht korrekt verhalten.“ Anlassfall war die Berichterstattung über Viktor Orbán. Orbán ist ein wichtiger Verbündeter, wenn es darum geht, in der EU neonationale Alleingänge zu propagieren. Daher werden für solche Freunde Lobeshymnen im Fernsehen erwartet, nicht Hinweise auf autoritäre Tendenzen und die Beschneidung bürgerlicher Rechte.

 
Der altehrwürdigen „Wiener Zeitung“, die sich im Eigentum der Republik befindet und ein paar eigenständige Journalisten und Journalistinnen beschäftigt, stellt man ebenfalls die Rute ins Fenster. In Österreich sind Kapitalgesellschaften verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse im Amtsblatt der Wiener Zeitung zu veröffentlichen. Das sichert der ältesten noch existierenden Tageszeitung der Welt (!) die ökonomische Basis. Diese Veröffentlichungspflicht kann man leicht abschaffen. Dann ist die Wiener Zeitung Geschichte. Noch zögert der dafür zuständige Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Als Totengräber einer seit 1703 bestehenden Zeitung in die Annalen einzugehen, ist kein Ruhmesblatt für einen konservativen Kulturminister. Stattdessen wurde prophylaktisch erst einmal der Vertrag des der SPÖ nahestehenden Geschäftsführers der Zeitung nicht verlängert.


Die freiheitliche Sozialministerin Beate Hartinger-Klein erklärte unlängst in einem Interview, dass man in Österreich durchaus von 150€ Sozialhilfe im Monat leben könne. Wenn’s noch das Wohngeld drauf gibt, wird so ein Überleben schier luxuriös – Schlaraffenland nimm’s in die Hand! Als daraufhin selbst in recht bürgerlichen Medien die Kompetenz der Ministerin, die mit gut 17.000€ (!) monatlich entlohnt wird, ein wenig angezweifelt wurde, eilte die „Kronenzeitung“ zu Hilfe. Wie diese Hilfe aussah? Ganz einfach, man lud die Dame zum Interview und erklärte jede Kritik an der Ministerin indirekt für ehrenrührig.
(Krone) „Muss man dafür unabhängige Medien, wie es der rechte „Wochenblick“ gemacht hat, als „Fake-News-Schleudern“ bezeichnen?“
(Ministerin) „Das ist ein Jargon, der zu diskutieren ist. Aber in dem Fall würde ich ‚Ja‘ sagen. Ich wurde nur zu gerne missverstanden.“

 

Auf welcher Schleimspur sich manche Journalisten den neuen Herrschern nähern, demonstriert das Gratisblatt „Das Wien“ (Motto: „Hautnah und direkt am Geschehen!“). Da beginnt ein dreiseitiges Interview mit dem FPÖ-Innenminister Kickl folgendermaßen: „Herr Minister, Sie sind seit einem halben Jahr Mitglied der Bundesregierung. Haben Sie sich schon umgewöhnt – vom gewieften Oppositionspolitiker zum Staatsmann?“

„Staatsmann“ also! Oha! Was kennen wir von diesem „Staatsmann“ Kickl eigentlich, außer seiner Vorliebe für muntere Reime („Daham statt Islam!“) und seiner überbordenden Angst vor Zuwanderung? Nun, er liebt Pferde. Darum richtet er aktuell eine „Polizeireiterstaffel“ ein. Beratung für sein Vorhaben holt er sich von der bayrischen Polizei. Und Herrenreiter Viktor Orbán hat ihm gleich noch zwei Pferde für die Staffel geschenkt. Aber dieser Kickl hat noch mehr Ideen: Ab sofort werden alle Polizeistreifenwagen in Österreich mit dem Schnellfeuergewehr „AUG A3“ von Steyr-Mannlicher ausgestattet. Sicherheitshalber. Also Vorsicht! bitte demnächst bei Begegnungen mit der österreichischen Polizei: das „AUG A3“ ist ein veritables Kriegsgerät.

 

 

Den passenden Kommentar zu den düster- autoritären Trends der Innenpolitik liefert immer noch „Drahdiwaberl“, die legendäre Wiener Anarcho-Punk-Band mit ihrem „Supersheriff“ „Alles auf die Knie! Schlagen, bitte schlagen, bitte schlagen!“  Wir können gespannt sein, ob im nächsten Budgetvoranschlag ein Posten für zusätzliche Zensurbeamte und Polizeispitzel eingeplant wird. Der Kongress tanzt. Metternich is still alive!

Ich werde dir weiter berichten
Michael

 

Illustration: Gerhard Seyfried

Bildergebnis für Stramme Burschen schmid

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2018/08/06/wiener-korrespondenzen-35/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert