„Die Technik des Glücks – Eine Franz-Jung-Revue“ – am 14. November war Premiere im Berliner „HAU Hebbel am Ufer (HAU2)“. Hanna Mittelstädt (Edition Nautilus) hat Jahre lang für die Realisierung dieser Revue gekämpft, die theatralische Auferstehung eines verrückten Revolutionärs (1888-1963) betrieben, der ständig und wagemutig auf der Suche war, allemal nach dem Motto: „Mehr Tempo!, Mehr Glück! Mehr Macht!“. Die Musik für die Revue spielen „Die Sterne“. Das Textbuch haben, unter Verwendung der Texte Franz Jungs, Annett Gröschner und die Regisseurin Rosmarie Vogtenhuber geschrieben. Am Konzept ist auch Bühnenbildnerin Constanze Fischbeck beteiligt. Schauspieler auf der Bühne bleiben Robert Stadlober und Wolfgang Krause Zwieback. Im filmischen Teil der Inszenierung spielt Corinna Harfouch. Franz Jungs Sätze sollten die Bühne beatmen, Fragen provozieren, Spruch und Widerspruch hervorrufen. So der Plan.
Aber es ist ja so eine Sache mit Plänen (s. Brecht). Manchmal zumindest. Wenn die KritikerInnen der Medien deren Realisierung begutachten. Nehmen wir den Deutschlandfunk: „Die Band sitzt hinten links, vorn ist Platz für die Schauspieler, die sich anrempeln, sich ins Wort fallen, oft aber auch nur hinter zwei Mikrofonständern stehen. Robert Stadlober sorgt dafür, dass es trotzdem nicht langweilig wird. Aus seinen Augen sprüht Energie und er spricht mit so viel Leidenschaft, dass man fast glauben könnte, Franz Jung selbst vor sich zu haben. Die Musik treibt das Geschehen voran.“ Jung lebt! Sag ich doch. Auch wenn der Kritiker (Oliver Kranz) sich am Ende beschwert, dass die Vorstellung ihn nicht unbedingt beglückte: „Am Ende wirkt der Abend melancholisch – es geht nicht um Glück, sondern ums Wiederaufstehen nach Niederlagen. Franz Jung war Zeit seines Lebens ein Torpedokäfer.“
Wie auch immer: Meine Damen und Herren, hochverehrtes Publikum, liebe Torpedokäfer (s.u.) vor den Monitoren und Displays, hier kommt noch ein letztes Mal die durchaus revolutionäre Hanna Mittelstädt (Künstlerische Leitung) und präsentiert ihre ganz persönlichen Impressionen von Proben und Premiere.
Lieber Detlef!
endlich: Mittwoch war Premiere!
Ich will ja nichts verraten, damit die Spannung für alle erhalten bleibt, die eine Karte ergattern konnten. Da die Vorstellungen seit einer Woche bereits komplett ausverkauft sind, vergibt das HAU auch „Treppenplätze“ an der Abendkasse. Und wird die Produktion hoffentlich noch einmal aufnehmen. sobald es die verschiedenen Terminkalender erlauben!
Die Probenzeit war extrem. Es wurde ja nicht die Interpretation eines Stückes entwickelt, sondern das Stück selbst. Sogar das „Format“: laut Plan eine Revue, das Stück hat 33 Stufen bzw. Bilder, dazu die Live-Musik, aber es ist gleichzeitig auch ein Theaterstück mit allen für Jungs „Technik des Glücks“, „Technik des Theaters“ und „Technik des Schreibens“ wesentlichen Elementen.
„Ich hasse Regieanweisungen!“
Wir haben die Autobiographie Jungs auseinander gefaltet und neu zusammengesetzt, wie die Papierschiffchen, die Kinder basteln, kleiner und größer … Auf dem Foto (s.u.) begutachtet Thomas Wenzel von den „Sternen“ in der Pause ein klitzekleines Resultat unserer Versuche.
Individuum und Gemeinschaft, schreiende Einsamkeit und Massenhysterie, Kunst und Revolution, das Kneten der Seelen bis zur Autonomie, bis zum erstrebten Glück der Selbstermächtigung! Mehr Tempo! Mehr Glück! Mehr Macht! Dafür haben wir versucht, Musik, Sprache und theatrale Bilder zu finden. Natürlich bleibt die Truppe davon nicht unberührt. Das, was wir erarbeitet haben, hat auch in uns gearbeitet, gewirkt. Wir verlassen die schwarzen Räume des Theaters mit intensiven Erinnerungen.
„Der Intensitätsmensch kann mit dem Herrschaftsmenschen nicht in einer Atmosphäre zusammen leben“ und: „Die Intensität des Widerspruchs ist das Tempo des Fortschritts“
Als die ersten Pressefotos von der Generalprobe eintrafen, sahen wir uns zum ersten Mal von außen! Ein schönes Gefühl: man erlebt, „dass Produktion Glück ist“ … sein kann. Und dass Glück Widerspruch ist …
Auf der Generalprobe knallte die rote Fahne aus dem Theaterhimmel auf den schwarzen Boden der Tatsachen, kapp vorbei an den Schauspielern. Das war ein technisches Versagen, aber auch ein starkes Bild!
Und bei der Premiere, bei der endlich alles bereit war, alles geschafft, da schrillte – kaum zündeten die Schauspieler (nur mit Worten!) ein Streichholz an, um von Jungs Aufbauarbeit einer Streichholzfabrik bei Nowgorod in Russland 1920 zu erzählen – der Feueralarm des Theaters und ließ sich nicht stoppen, sodaß wir die Revue kurzfristig unterbrechen mussten: Eine Zwangspause! Alarm! Offensichtlich ist Jungs Geist heftig am Wirken, und daran wird ihn hoffentlich auch in der Zukunft niemand hindern, denn „Glück ist eine Bewegung“ und „Glück wird nicht zu Besitz“ …
Sei herzlich gegrüßt und hab Dank für Deine Unterstützung!
Hanna
Szenenfotos: Dorothea Tuch