vonMesut Bayraktar 04.12.2018

Stil-Bruch

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»Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel« von Theresia Walser im Schauspiel Stuttgart unter der Regie von Burkhard C. Kosminski – Ein Abend mit Heiterkeit und Genuss am Lachen.

Eine schlichte Bühne, drei rote, altmodische Ledersessel, die sich um ihre Achse drehen lassen, und ein Barhocker, dazu eine einfache Minibar mit Rollen, die sich als selbstbewegend zeigen wird, und ein Podest mit zwei Mikrofonen, die Töne zur Mickey-Maus-Stimme deformiert; schließlich, ein imposanter, weit vorstehender Vorhang, der bis zum Schluss der Aufführung nicht hochgezogen wird (Bühnenbild: Florian Etti). Dann treten aus der linken Seite des Publikumssaals drei Frauen, geführt von einem Mann, auf, die nach und nach auf die Bühne steigen, wobei eine sich zunächst weigert, weil sie nicht mit den anderen beiden „Blutsaugern des Volkes“ auf derselben Bühne stehen will: Frau Margot, markant gespielt von Christiane Rossbach. Endlich lässt sie sich von Gottfried (Sven Prietz), dem traumatisierten Dolmetscher aus Jena, überzeugen und steigt ebenfalls auf die Bühne. Frau Imelda (Anke Schubert), Frau Leila (Paula Skorupa) und Frau Margot nehmen auf den Ledersesseln Platz. Man steht kurz vor einer Pressekonferenz. Anlass ist die geplante Verfilmung ihres Lebens. Die Maskerade von Eitelkeit beginnt.

Burkhard C. Kosminski (Regie) hat mit viel Witz, Ironie und Direktheit die Komödie »Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel« (Theresia Walser) aufgeführt. Der Titel geht auf ein Gedicht von Gaddafi zurück. Im Grunde genommen ist das Stück ein verlängerter Prolog, betupft mit dem Überlegenheitsgefühl westlich-liberaler Sieger nach 1990. An diesen Leitfaden hat sich Kosminski gehalten, ohne dem Stück mehr zu geben, als es hergibt. Er hat dem Stück keine Gewalt angetan. Subtil und mit einem Sinn für Raffinesse wurden die Frauen als Figuration komischer Selbstherrlichkeit gegenübergestellt. Dazu wurde weder das Rokoko der Technik gebraucht, noch ephemere Aufladungen durch performative Einschnitte, die sich zumeist in eine Leere verlaufen. Kosminski hat sich auf das Handwerk des Theaters konzentriert: Sprache und Körper. Dabei zeigte er, dass wir Äpfel mögen können oder nicht, ohne dabei wie sie, die herrschende Klasse, zu sein.

Frau Margot, die sich unschwer als Frau Honecker erkennen lässt, schlürft pausenlos an ihrer Kaffeetasse, trotzig und unbelehrbar. Dabei schnalzt sie ihre Verachtung und ihren Spott zu den anderen beiden Frauen, die sie nicht anguckt, wenn sie über sie spricht. Sätze wie „Politik ist kein Beruf, Politik ist ein Zustand“ prallen gleichsam auf den schrillen Wunsch, eine „Cola“ trinken zu wollen, die der Dolmetscher ihr nicht besorgen kann, was sie ärgert: „Es gibt hier nicht mal Cola!“ Christiane Rossbach hat Frau Margot mit Menschenkenntnis und Charme dargestellt – eine Freude ihr zuzuschauen.
Neben ihr saß Frau Imelda, Gattin von Ferdinand Marcos von den Philippinen. Anke Schubert hat sie, allein mit der gestischen Anlehnung ihrer Unterarme auf die rechte oder linke Sessellehne, worin ihr starker Körper zur Seite kippte, zur Personifikation zynischer Jovialität getauft. Ins Publikum blickend, das vom Dolmetscher zu noch leeren Plätzen von Journalisten umgedeutet wird, ruft sie mit der Ehrlichkeit einer Herrscherfrau: „Wo kein Volk ist, muss auch nicht gewunken werden.“ Dann missfällt es ihr aber doch, dass keine Blumen auf der Bühne sind, Blumen, die sonst auf jeder Bühne waren, die sie im Jubel des „Volkes“, der sie eine Sonne sein möchte, betrat. Schließlich wiederholt sie, die in ihrer Kindheit Ibsens Nora spielte, dass allein die Oper das angemessene Medium sei, ihr Leben darzustellen – ein versteckter Ellbogen gegen das hohle Glanzspiel der Oper unserer Tage.
Und dann war da noch Frau Leila, die eine Mischung aus Leila Ben-Ali, Suzanne Mubarak und Asma Assad widerspiegelte. Leitungswasser schmähend und mit hypochondrischem Sinn für Sterilität, die Rückseite ihrer aristokratischen Weltverachtung, bringt die kraftvolle Paula Skorupa dieses verwirrte und furienhafte Wesen aus „Karthago“ auf die Bühne. Kleinschrittig hüpfte sie neben dem unförmigen Gang von Frau Margot und dem königlichen von Frau Imelda und begeisterte ebenso mit raschen Bewegungen wie klarer, voller Aussprache. Paula Skorupa war das Zirpen einer Zikade.
Die drei Frauen haben sich, was Präsenz und Originalität betrifft, durch und durch die Waage gehalten. Indem sie im Grunde genommen permanent im Spiegelsaal ihrer Eitelkeit Pirouetten gedreht haben, freilich jede auf ihre Weise, waren sie das Ensemble monströser Selbstironie.
„Ein guter Dolmetscher ist immer einen Satz voraus“, dieser kategorischer Imperativ war die Begleitung der drei Diven durch Sven Prietz, der glaubwürdig als Dolmetscher die Streitlust der Frauen bediente. Er war nicht Brückenbauer, wie man erwartet hätte, sondern Diplomat: das heißt, ein Verfälscher der Beziehungen, ein Lügner. Auch Sven Prietz hat seinen Applaus verdient. Selbstbemitleidend und dem Abhang der Verzweiflung nahe treibt er, dem die böse böse allzuböse DDR die Kindheit verweigert hatte, den grotesken Wettstreit der Frauen so weit, bis die Aufführung schließlich in der aufsteigenden Asche Erich Honeckers zum Ende kommt.

Alles in allem hält die Inszenierung ihr Versprechen: ein leicht verdaulicher, komischer und witziger Theaterabend, der zwar nicht lange im Denken nachhallt, aber dafür umso mehr den Geist auflockert. Auch das ist Theater: Heiterkeit und Genuss am Lachen.


Foto: Björn Klein (Staatstheater Stuttgart)

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