vonMesut Bayraktar 27.06.2019

Stil-Bruch

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Ich kenne keine Partei in der Bundesrepublik, die so sehr Heuchler ist wie die CDU/CSU. Plötzlich hört man seit Montag von den Führungsgremien, dass jede Zusammenarbeit mit der rechtsradikalen und faschistischen AfD ausgeschlossen sei, selbst von Markus Söder (CSU), Kumpel vom ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban, oder vom AKK-Zombie Paul Ziemiak, der als CDU-Generalsekräter nichts Besseres zu tun hat als auf Twitter über eine sechzehnjährige Schwedin zu spotten, die wenigstens etwas Sinnvolles tut. Präsidium und Vorstand der Berliner CDU-Parteizentrale erklären am Montag: „Wer die AfD unterstützt, muss wissen, dass er damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt.“

War es nicht Alexander Dobrindt (CSU), der letztes Jahr als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe von der »konservativen Revolution« schwärmte, die terminologisch auf die 20er der Weimarer Republik zurückgeht und dem Nationalsozialismus Geburtshilfe für die 30er geleistet hat? War es nicht Horst Seehofer (CSU), der als Bundesinnenminister nach dem faschistischen Schlägermarsch in Chemnitz die Migration als die »Mutter aller Probleme« bezeichnet hat, statt auf der Seite der Opfer zu sein und sich mit den demokratischen Wir Sind Mehr-Kräften zu solidarisieren? War es nicht Hans-Georg Maaßen (CDU), der damals als amtierender Verfassungsschutzpräsident Geheimdienstdaten an die AfD weitergereicht hat, der Ex-AfD-Chefin Frauke Petry Tipps gab, wie ihre Partei einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne, jener Maßen, der mit der AfD-Dackelkrawatte Alexander Gauland tuschelte und der die Hetzjagd in Chemnitz leugnete, um anschließend nach dem Ausscheiden vom Amt als Mitglied der Werte-Union in einem Interview davon zu sprechen, dass man nie wisse, ob nicht in Zukunft eine Zusammenarbeit CDU/CSU-AfD möglich sei?

War es nicht dieselbe CDU/CSU, die bloß zynische Kälte für über hundert Flüchtlingsheime übrig hatte, die in Deutschland durch rechte Barbarei in Flammen gesetzt wurden? Dieselbe CDU/CSU, die als Regierungspartei zaghaft bis gar nichts gegen die bewaffneten »Reichsbürger«, gegen rechtsradikale Unterwanderung in Bundeswehr und Polizei, gegen die Vertuschung und Verschleppung im Fall Oury Jalloh, gegen den Verfassungsschutz im Fall Amri und im schändlichen NSU-Prozess unternommen hat – nicht mal Aufklärung, geschweige denn für die Betroffenen? Oder dieselbe CDU/CSU, die Internierungslager für Vertriebene an der deutschen Grenze fordert, Menschen im Mittelmeer sehenden Auges ertrinken lässt, die SOS-Rufe von Iuventa10, Sea-Watch 3 usw. ignoriert und die Festung Europa ausbaut?

Nicht zuletzt auch dieselbe Partei, die nach der Kopfschussermordung des Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen militanten Nazi, der nun nach und nach wie in der NSU-Mordserie zum »Einzelfall« zusammengequetscht wird, eine unheimliche Stille und Teilnahmslosigkeit um sich breitete und breitet, obwohl es sich beim Opfer um jemanden aus der eigenen Partei handelt? Ich könnte das endlos fortführen, bspw. mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen dieses Jahr (Brandenburg, Sachsen, Thüringen), wo führende Konservative Koalitionsbereitschaft mit der AfD zeigen, etwa Ulrich Thomas, CDU-Fraktionsvorsitzender im Magdeburger Landtag. Nichts schürt in mir zugleich Ekel und Verdruss, wie allzu lang über die CDU/CSU zu sprechen.

Aber eigentlich wollte ich nur eine Sache im Zusammenhang mit der Erklärung der Parteizentrale zu Wort bringen: Die CDU/CSU hat die letzten Jahre AfD und Co. mit ihrer Politik unterstützt und „muss wissen, dass [sie] damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt“ und genommen hat, auch und besonders Rassismus. CDU/CSU unterstützen heißt indirekt AfD & Co. unterstützen.

Wenn der Fall Lübcke nicht tragisch wär, müsste man lachen, dass es gerade Linke und Antifaschisten sind, die nach seiner Ermordung auf die Straßen gehen, spontane Demos veranstalten, sein Porträt neben das der NSU-Opfer einreihen und den Rechten den Kampf ansagen – jene Aufrichtigen, gegen die die Konservativen seit Jahrzehnten mit ihrer schwarzen Ideologie, mit ihrem Hass auf rote Fahnen und mit verstaatlichter Klassengewalt wettern und sie bedrängen, um im Rücken vorgeschobener Unschuldsbehauptungen die Interessen der Banken und Unternehmer in Gesetze zu verwandeln. Aber mir vergeht jedes Lachen. Es gibt nichts zu lachen, wenn man an die CDU/CSU denkt. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, wann CDU/CSU mit AfD ins Bett steigen wird. Jedenfalls neigt sich das Vorspiel allmählich dem Ende. Eine Lehre aus Österreich ist den Konservativen nicht zuzutrauen. Warum? – Weil sie konservativ sind.

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https://blogs.taz.de/stilbruch/2019/06/27/cducsu-die-partei-der-heuchelei/

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kommentare

  • “ Eine Lehre aus Österreich ist den Konservativen nicht zuzutrauen. Warum? – Weil sie konservativ sind.“

    Eine schöne Zusammenfassung und bedenkliche Erkenntnis

  • Partei der Heuchelei? Das waren die doch schon immer. Globke, Kiesinger, Filbinger – usw. usw. usw.
    Distanziert hat sich von diesen Typen nie wirklich jemand – im Gegenteil. Da gibts schon wieder eine Rechtsaußen-Gruppe zur Freude der Höckes und Co.. Übrigens vergißt der Artikel auch die FDP mit ins Boot zu nehmen, die hatten auch immer wieder Ausreißer nach ganz, ganz weit rechtsaußen – und wollten mit der Freigabe sexueller Handlungen an Kindern die wenigen versprengten Grünen, die sich mit sowas mal befaßt haben sollen, wohl aus „Modernität“ seinerzeit noch weit übertreffen. Auch keine rühmliche Geschichte.
    Warum sagt das eigentlich heute keiner so deutlich, verdammt nochmal? Warum läßt man die „Julis“ von damals alle heute so ungeschoren auf „gesetzt und seriös“ machen?

  • So richtig nachvollziehbar ist der Artikel für mich nicht. Ein bisschen sehr eindimensional. Es ist ja ok, gegen die CDU/CSU zu sein und ihr Heuchelei vorzuwerfen – aber wie ist das dann mit dem Fall Lübke: Wieso ist er dann zum Opfer von Rechtsextremismus geworden, wenn sein politischer Einsatz gegen Rechts doch bloß Heuchelei war? Ist er dann quasi mit seiner „Heuchelei“ zu weit gegangen?
    Ich würde eher von Richtungsstreit in der CDU/CSU reden.

    • Das ist eben der Unterschied zwischen „der CDU/CSU“ und inrer AnhängerInnen. Die Menschen sind immer anders als die gesamte Institution.

      Es gibt durchaus einige Menschen in der CDU/CSU, die, bei aller Widersprüchlichkeit die uns Menschen eben kennzeichnet, sehr aufrechte und gute Menschen sein können. Herr Lübcke war wohl so einer, bei weitem aber nicht der einzige.

      Mensch sollte einen Menschen eben nicht auf ihre/seine Parteizugehörigkeit (Hautfarbe, Geschlecht, Schuhgrösse, Gesangsverein, yadda, yadda) reduzieren.

      • Ich bin es so leid immer dieses draufgeschlagen auf die CDU/CSU
        , diese ewigen Verallgemeinerung.
        Die sind aber auch schlimm die böse
        CDU/CSU. 😴

  • Moin Gemeinde,
    dieses Ausschwenken nach ganz Rechts ist ja nichts Neues, wenn ich an die früheren Debatten über Asylrecht denke, war die CDU/CSSU nur zu gern bereit, auf den Kurs der Republikaner einzuschwenken.

    Zum Thema der Unterwanderung der „Sicherheitsorgane“ passend folgender Link, der sehr drastisch verdeutlichen sollte, welche Pläne solche Leute haben:

    https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Politik/Verfassungsschutz-warnte-Bundestag-Namenslisten-Leichensaecke-Aetzkalk-Nazi-Gruppe-bereitete-weitere-Angriffe-auf-Fluechtlingsfreunde-vor?utm_source=pocket-newtab

    Und schon habe ich die Ehre, auch auf einer solchen Liste zu landen. Wer hätte es gedacht.

  • Moin Gemeinde,
    dieses Ausschwenken nach ganz Rechts ist ja nichts Neues, wenn ich an die früheren Debatten über Asylrecht denke, war die CDU/CSSU nur zu gern bereit, auf den Kurs der Republikaner einzuschwenken.

    Zum Thema der Unterwanderung der „Sicherheitsorgane“ passend folgender Link, der sehr drastisch verdeutlichen sollte, welche Pläne solche Leute haben:

    https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Politik/Verfassungsschutz-warnte-Bundestag-Namenslisten-Leichensaecke-Aetzkalk-Nazi-Gruppe-bereitete-weitere-Angriffe-auf-Fluechtlingsfreunde-vor?utm_source=pocket-newtab

    Und schon habe ich die Ehre, auch auf einer solchen Liste zu landen. Wer hätte es gedacht.

  • Moin Gemeinde,
    dieses Ausschwenken nach ganz Rechts ist ja nichts Neues, wenn ich an die früheren Debatten über Asylrecht denke, war die CDU/CSSU nur zu gern bereit, auf den Kurs der Republikaner einzuschwenken.

    Zum Thema der Unterwanderung der „Sicherheitsorgane“ passend folgender Link, der sehr drastisch verdeutlichen sollte, welche Pläne solche Leute haben:

    https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Politik/Verfassungsschutz-warnte-Bundestag-Namenslisten-Leichensaecke-Aetzkalk-Nazi-Gruppe-bereitete-weitere-Angriffe-auf-Fluechtlingsfreunde-vor?utm_source=pocket-newtab

    Und schon habe ich die Ehre, auch auf einer solchen Liste zu landen. Wer hätte es gedacht.

  • Warum muss man Mordtaten überhaupt politisieren, kann man das nicht gelassen der Strafjustiz überlassen?

    Die Linken hetzten über die marginalen Mordtaten rechter Schläger, die Rechten über die Einzelfälle von Straftaten durch Geflüchtete.

    Dabei kann man eigentlich relaxen. Dass Schiffe wie Sea Watch 3 das Problem des Ertrinkens im Mittelmeer erst evozieren, sollte ja jedem verständigen Menschen bekannt sein. Das Dilemma ist nicht gut auflösbar, aber tatsächlich wirkt Salvinis Kurs. Racketes Vater arbeitet übrigens als hohes Tier in der Rüstung.

    • Was hat der Vater von Carola Rackete damit zu tun, dass sie unter Hausarrest steht, weil sie Menschenleben gerettet hat?
      Ihr Kommentar besteht nur aus purem Whataboutism. Nichts mit Relaxen, wie Sie es gerne hätten.

      Der Mord an Walter Lübcke ist das beste Beispiel dafür, dass sich die demokratischen Kräften in diesem Land endlich zusammenschließen und gegen rechte Ideologen, Faschisten, Neonazis und Rechtspopulisten vorgehen müssen!

    • Was soll das Verbreiten solchen Blödsinns? Vielleicht mal nachlesen? Racketes Vater arbeitete (Vergangenheit) in einem Betrieb, der Schutzausrüstung und -kleidung nicht nur für die Armee, sondern auch für Bombenentschärfer produzierte. Weder Waffen noch sonst etwas in der Richtung.

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