vonCaro 28.03.2012

Fotoblog Streetart

Geklebtes, Geschriebenes, Gesprühtes – es gibt Vieles, was die Straßen der Stadt erobert. Hier gibt es Fotos davon zu sehen.

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Heute mal ein Artikel über eine andere Art von Stadt-Kleinod, den Comenius Garten in Neukölln, der heute 20 Jahre alt wird:

Mein erstes Mal Comenius-Garten war am Tag meines Umzugs nach Rixdorf, vor circa 2 Jahren. Wir waren zu dritt unterwegs und ziemlich schlapp vom Geschleppe. Da beschlossen wir, uns im Naturparadies des Comenius-Gartens zu erholen. Innerhalb kürzester Zeit haben wir mit ein paar Grundregeln und -ideen des Comenius-Gartens Bekanntschaft gemacht: Ich setzte mich auf den Steg und wollte meine nackten Füße gerade ins Wasser baumeln lassen, als ein Herr mit weißem Rauschebart vorbeikam und mich drauf aufmerksam machte, dass ich das besser nicht täte, da dort in dem Teich ja 12 Libellensorten leben würden, die ich dann störe. Gleichermaßen machte er einen meiner Begleiter recht barsch drauf aufmerksam, dass er besser sein Fahrrad sofort von dem Baum (und überhaupt aus dem Garten) entfernen solle, da die Rinde in Mitleidenschaft gezogen werde und dem dritten unseres Bundes erklärte er, dass er gerade die Wild-Kräuter am Teichrand mit seinem Po zerquetschen würde und diese nun nicht mehr nachwachsen. Er wirkte ziemlich verärgert und wir waren überrascht…also haben wir ihn gefragt, wie man denn von den Regeln erfahren kann, die hier gelten? Der Herr mit dem weißen Bart sagte dann mit einem Lächeln: „Genau so kann man von den Regeln erfahren….indem man miteinander redet!“ Seitdem war ich etliche Male im Garten…etliche Gespräche wie mein erstes mit ihm habe ich mitgehört (und selbst geführt)….nimmermüde weist er darauf hin, dass Verbotsschilder keinen Sinn machen, weil sie keineswegs dem Anliegen von Herrn Comenius entsprächen.

Dieser Garten ist nämlich keine „normale“ Berliner Grünanlage, sondern ein einzigartiger Philosophengarten, der das Lebenswerk des Herrn Comenius zum Leben erweckt. Vor 400 Jahren hat der böhmische Geistliche seine humanistischen Gedanken niederge- und die Schule des Lebens beschrieben. In diesem Sinne hat der Garten verschiedene Teile, die unterschiedliche Abschnitte des Lernens verbildlichen, manche sind wild andere gestaltet. Der Herr mit dem weißen Bart heißt Herr Vierck und exakt heute vor 20 Jahren realisierte er seinen Traum vom Garten auf einer wildbewachsenen Neuköllner Brache. Seitdem schuftet er, pflanzt, schimpft, erklärt, erntet mit Kindern in den Bäumen und an den Sträuchern, sammelt Müll, zeigt und wundert sich und …noch so vieles mehr in diesem kleinen großen Paradies. Er sagt, dass im Garten die Menschen der Natur und sich selbst begegnen, dass es das glückliche Leben von der Hand in den Mund ist, was Jahr für Jahr neu erblüht. Frei nach Herrn Comenius ist der Lebensweg, bzw die Schule des Lebens mal veredelt, mal wild – so wie der Garten. Konflikte auszuhalten und Lösungen zu finden, gehört genauso dazu wie Raum für Fremdes und Neues zu lassen.

Über die letzten Jahre hat sich ein tolles Forschnungsprojekt etabliert: In der „Werkstatt des Wissens“ forschen Kinder auf Augenhöhe mit Wisschenschaftlern vom Max-Planck-Institut. „Hier steht nicht das Wissen der Kinder, sondern das Forschungsthema im Mittelpunkt“, sagt Herr Vierck.

Momentan ist der Himmel Forschungsthema:

Eine Ausstellungsvitrine…und im Detail:

Zwei fernsehende Aliens und eine Engelsputte im Himmelsbehälter (Caelarium), Modell entstanden in der Werkstatt des Wissens 2011

Mit seiner einzigartigen Art auf Kinder und Erwachsene zuzugehen hat Herr Vierck den Charakter des Gartens nachhaltig mitgestaltet, viele zum Mitmachen, Verstehen, Respektieren, Rücksicht nehmen und Forschen animiert… nun steht die Frage im Raum, wie er sich langsam herausziehen kann und wie es weitergeht mit den Forschungsprojekten und dem Garten. Seine Mitstreiter und er haben sich dazu entschieden, zu einer Stiftung aufzurufen, die diese großartige Arbeit und den Garten weiter erhalten soll.

Also ich ganz persönlich hoffe, dass Herr Vierck uns im Garten noch möglichst lange erhalten bleibt und sage erstmal ein riesiges Dankeschön für all sein Engagement der letzten 20 Jahre (und der weiteren 20???!) für den tollen Garten, der inmitten der großen Straßenachsen Neuköllns einen Hort der Ruhe, der Verständigung und Zusammenkunft und eben tolle Natur bietet. Leute, lasst die Fahrräder und Hunde draußen und begeht nur die abgemähten Flächen, und so kann man Herrn Vierck auch als ganz herzlichen Menschen kennenlernen und der wunderschönen Natur und sich selbst begegnen.

Herzliche Glückwünsche zum 20. Geburtstag!!!

Comenius-Garten, Richardstr. 35, 12043 Berlin…wie man genau reinkommt, das muss man selbst herausfinden…sonst findet sich bestimmt jemand, der_die einem behilflich dabei ist!

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https://blogs.taz.de/streetart/2012/03/28/hommage-an-den-comenius-garten/

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