von 12.08.2011

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Die Werbung ist, egal wo wir hinkommen, immer schon da. Wir sind umzingelt von Slogans, Botschaften, Labels und Firmenkennzeichen. Wir sind derart daran gewöhnt, uns in einem Werbewust zu bewegen, dass wir gar nicht mehr wahrnehmen, wie sehr uns die Bilderwelt prägt, beeinflusst, ja vielleicht auch indoktriniert. So ist die Konsumwelt nun einmal beschaffen, auch die Welt des Sports, könnte man einwenden, wenn man sichs leicht machen will. Aber wer findet es nicht nervtötend, wenn bei Fußballländerspielen die Bandenwerbung derart flimmert, dass einem schon mal das schöne Dribbling von Mario Götze entgehen kann. Es ist nicht nur eine ästhetische Zumutung, es stört generell den Sportkonsum.

Die Professionalisierung und Durchökonomisierung des Fußballs hat dazu geführt, dass dem Zuschauer immer mehr Werbung zugemutet wird. Sie befindet sich nicht nur auf der Brust der Spieler, nein, neben dem Tor liegen Werbeteppiche, die im Fernsehen wie dreidimensionale Aufsteller aussehen. Vereine setzen auf die doppelte Werbebande, wobei die hintere bis zu drei Meter hoch sein kann. Es ist ein monströser Werbewall. Im Mittelkreis liegt vorm Spiel eine textile Werbebotschaft. Die Spieler gehen vor dem Match über eine Matte, auf dem groß ein Sponsorenname steht. Die Fifa präsentiert den „Player of the Match“, natürlich gesponsort von einem Biermulti. Alles, aber auch wirklich alles bezieht sich im Fußball auf dessen Verwertbarkeit.

Magdalena Neuner ist voller Werbung. Die taz verpixelt sie jetzt. Foto: Reuters
Magdalena Neuner ist voller Werbung. Die taz verpixelt sie jetzt. Foto: Reuters

Kein Wunder, dass der Fußballmarkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten hitziger und hektischer geworden ist: 1992 verkauften die englische Profiklubs ihre Fernsehrechte für 11 Millionen Pfund, jetzt sind es über 1,2 Milliarden Pfund. 1992 setzten die 92 obersten englischen Klubs 263 Millionen um, heute sind es mehr als 2,7 Milliarden. „Die Erste Bundesliga stellt in allen untersuchten Erlösbereichen den zentralen Wachstumstreiber dar“, stellt das Marktforschungsunternehmen Sport + Markt fest. Die Bundesliga-Manager erwarten weiter steigende Erlöse, „vor allem im Bereich Sponsoring und Medienrechte“. Allein mit dem Trikotverkauf haben die von Sport + Markt befragten 182 europäischen Erstligisten in der Saison 2009/10 über 13,7 Millionen Euro eingenommen.

Die Werbewirkung ist umso größer, je mehr Zuschauer oder Leser das Logo vom Sponsor sehen. Es muss im Bild sein. Möglichst oft. Es muss natürlich auch auf Sportbildern drauf sein, die in der Zeitung erscheinen. Auch in der taz findet sich die Werbung von Sponsoren auf Sportfotos. Ein, zwei Logos sind fast immer auf einem Sportfoto zu finden, manchmal auch vier, fünf oder sechs. Gerade in Sportarten wie Biathlon, Handball oder Eishockey, die auf Sponsoren-Patchwork setzen müssen, weil das ganz große Geld fehlt, erscheinen die Profis oft als wandelnde Litfaßsäulen. Die Sportpresse macht sich mit dem Abdruck der Bilder zum Erfüllungsgehilfen der Vereine und Sponsoren. Sie trägt die Werbebotschaft ungefiltert zu den Abonnenten.

Am krassesten wird sichtbar, was die Fußballwelt im Innersten zusammenhält, wenn sich Fußballer zum Blitzinterview vor eine Werbetafel stellen, auf der nicht selten zehn Sponsoren zu sehen sind. Der Spieler darf sich erst dann äußern, wenn man die mobile Tafel hinter ihn geschoben hat. Das Fernsehen macht mit bei diesem Spiel, denn als Rechteinhaber haben die TV-Anstalten sich dazu verpflichtet.

Trikotwerbung? Nicht auf der Sportseite der taz! Foto: dapd
Trikotwerbung? Nicht auf der Sportseite der taz! Foto: dapd
Anders die Presse. Sie kann filtern und sortieren, kann Sponsorennamen bei der Nennung von Stadien weglassen, was auf den taz-Sportseiten schon länger passiert. Und sie könnte die Logos von Brustsponsoren auf Fotos verdecken oder verpixeln, was wir jetzt zwei Wochen lang auf den Sportseiten der taz tun wollen, um zu zeigen, wie allgegenwärtig und aufsässig die Werbung im Sport ist. Nach diesen zwei Wochen wollen wir dann möglichst jene Fotos aussuchen, die viel Sport zeigen und wenig Sponsoren. Immer wird das nicht gelingen. In diesen Fällen werden wir dann weiterhin zum Mittel der Unkenntlichmachung greifen. Es ist ein Versuch, ein Test – vielleicht auch ein Kampf gegen Windmühlen. Aber wir wollen demonstrieren, dass es auch anders gehen kann.

In den 80er Jahren war auch das Fernsehen noch anders gepolt. Für Bundesliga-Spiele, die in der „Sportschau“ nicht im Zusammenschnitt präsentiert wurden, gab es so etwas wie eine mündliche Zusammenfassung des Spielgeschehens. Dabei wurde das Standbild eines Profis eingeblendet. Und siehe da: Über dem Brustsponsor prangte ein schwarzer Balken. Lang ists her. Für Fernsehleute mag das ein putziges Zeitdokument aus der Steinzeit der Fußballpräsentation sein. Wir wollen dennoch wieder mit dem Balken oder dessen digitaler Weiterentwicklung, der Verpixelung, arbeiten.

Dass auch Fußballfans auf das sponsorenfreie Trikot stehen, steht ja außer Frage. Leibchen, die ohne Brustsponsor verkauft werden, weil der Verein zu Saisonbeginn noch keinen Geldgeber gefunden hat, sind besonders begehrt. Geradezu vorbildlich gerierte sich der FC Barcelona, der jahrzehntelang ohne Brustsponsor auskam, jetzt aber für eine katarische Stiftung wirbt. Auch der US-Sport zeigt, dass man es besser machen kann. Weder auf dem Trikot eines Basketballers der NBA, noch eines Baseballers noch eines Footballers prangt Werbung. Stattdessen: nur der Name des Klubs. Auch in diesen Ligen werden Millionen und Abermillionen von Dollar bewegt.

Letztlich ist es doch so: Nur wer dem Sirenengesang der Werbung widersteht, ist ein mündiger Bürger. Oder anders gesagt: Nur wer sich den wachen Blick für die Allgegenwart der Sportwerbung erhält, ist ein mündiger Sportkonsument.

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