Die Welt ist schlecht. Nicht nur wegen all dem Mord und Todschlag, dem Lug und Trug, der Kriege, Machtsucht und Geldgier. Es sind die kleinen Dinge, die im Gegensatz zu eben Erwähntem wirklich klein wirken, die Dinge, die nicht sein müssten. Es sind die Mahnungen, welche irrtümlicher Weise in den Briefkasten flattern, obwohl man vor Monaten wegen besagter Mahnungssumme in Einspruch gegangen ist. Es sind die uneinsichtigen BVG-Kontrolleure, die die Polizei holen wollen, obwohl man einen Fahrschein hat, der gültig ist, weil sie sich in trügerischer Sicherheit wähnen, ein Vergehen gefunden zu haben. Es ist das Finanzamt, wenn es die Steuererklärung verschlampt hat. Es sind die Situationen, in denen man hilflos vor jemandem steht, der seine vermeintliche Machtposition ausnutzt, weil er denkt, endlich in seinem Leben auch mal die Macht über jemanden oder eine Situation inne zu haben. Oder wenn man mitten in der Nacht, auf dem Deck des Parkhauses am Südkreuz bei -10° C steht und auf den Mechaniker warten muss, weil der Automat anstatt des Wechselgeldes, einen Zettel ausspuckt, mit dem man die 16 € im nächsten Jahr abparken kann, kein Ansprechpartner vor Ort ist, betrunkene junge Männer durch das Parkhaus spuken und die Dame, zwar theoretisch aus der Ferne auf einen Knopf drücken und einen aus dem Parkhaus lassen könnte, doch die Vorschriften so etwas leider nicht zulassen.
Vor einer Woche bekam ich ein Paket mit Dingen, die ich gar nicht bestellt hatte, anstelle der benötigten Mittelformatfilme.
Heute machte ich mich zur Post am Hermannplatz auf, um das Paket zurückzuschicken. Ich wusste nicht, dass der 31. Januar, einer der ungünstigsten Tage für ein derartiges Vorhaben ist. Bis in die Schmuckabteilung von Karstadt standen die Leute bei der Post an. An diese Stelle dachte ich mir noch „So what“ und verabschiedete mich gleich von der aufkommenden Genervtheit. Ich stellte mich also an, füllte während der Wartezeit den Adressenaufkleber aus und fragte den Securitymann der Post, ob man an der Kasse auch einen Streifen Paketband bekommen könne, um das Paket zuzukleben. Bisher, bei den einmal im Jahr sich ereignenden Versandaktionen, war das möglich und der Securitymann bejahte. Nach 25 Minuten war ich endlich an der Reihe. Ich holte das Paket aus der Tasche und bat die Postangestellte um ein Stück Paketband. „Ham wa nich, jibts nicht.“ Ich sah sie verdattert an. „Könn Se vorne aber kofen.“ „Wie, aber Sie müssen doch dieses schwarze Rollending mit dem braunen Klebeband drauf haben. Ich brauch auch nur son kurzes Stück.“ „Ne, ham wa nicht, müssen sie kofen,“ Auch wenn ich das „Ham wa nicht“ nicht glaubte, rannte ich an der wartenden Menge vorbei, zum Eingang der Post, wo die Büroartikel stehen. 5 € sollte eine Rolle kosten, von der ich gerade mal 30 cm akut brauchte. Ich rannte zurück zum Schalter, stopfte das Paket zurück in den Beutel und verlies die Post. Verzweifelt betrat ich das Reisebüro neben an, ging zu einer Mitarbeiterin und setzte ein „Entschuldigen Sie bitte, ich hätte mal eine Frage…“ was mit einem „Also, sehen Sie nicht, dass ich hier gerade beschäftigt bin“ abgewürgt wurde. Was wäre gewesen, wenn ich nicht nach etwas Paketband hätte fragen wollen, sondern nach Flügen im Wert von 6000 €? Ich drehte mich nur um, verlies Karstadt und schimpfte wie eine Schizophrene vor mich her. Es ist kein Wunder, dass die ganze Stadt voller Irrer ist.
Ich neige eigentlich nicht zu aggressivem Verhalten. Ich habe nur einmal in der dritten Klasse, als ich einen Gips hatte und jemand sehr gemein zu mir war gedroht, ich würde ihn damit hauen. Doch in solchen Momenten wünsche ich mir den „Hit me Panda“, der durch New York läuft und auf den wütende New Yorker einschlagen und treten können, bis alle Wut sich entladen hat. Ich wünschte, der Berliner Senat würde in nachhaltige Gewaltprävention investieren. Ich bin mir sicher, dass Berlin dann ein sicherer Ort sein würde. Wie viele Auto- /Fahrradunfälle könnten vermieden werden, weil weder Fahrrad- noch Autofahrer durch Wut und Ärger unaufmerksam durch die Straßen düsen würden? Wie viele Eltern müssten ihren Frust nicht am Abend an ihren Kindern auslassen und wie viele Kinder würden dann nicht auf das schwächste Kind der Klasse einschlagen müssen? Wie viele Lehrer der Sorte Sarrazin könnten vom Gebrauch von Blockflöten oder schweren Schlüsselbündern absehen? Wie viele Postmitarbeiter würden irgendwo ein Stück Paketband auftreiben können? Die Welt wäre ein bisschen besser. Ich habe zu Weihnachten Hanteln bekommen, ich bin im Training. Der nächste Bürgermeisterkanditat, der diese Idee aufgreift und keiner neoliberalen oder rechten Partei angehört, kann sich meiner Stimme sicher sein.
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