vonDetlef Georgia Schulze 09.08.2024

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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Mit Schreiben vom 19.07.2024, drei Tage nach dem Bekanntmachung des Verbots der Compact-Magazin und der Conspect Film GmbH, hatte ein Rechtsanwalt Sch. aus Iser­lohn (ca. eine halbe Auto-Stunde südöstlich von Dortmund) beim Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe Anzeige „im Zusammenhang mit den vorab erfolgten Informationen zahlreicher Presseorgane und -vertreter vor dem Durchsuchungsgeschehen wegen ‚Hochverrats‘ und weiterer Delikte vom 16.07.2024“ erstattet. Geschädigt durch eine an­gebliche „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ soll das Ehepaar Elsässer sein. Eine Da­tei, die angeblich den Wortlaut der Anzeige enthält, wurde auf einer rechten Seite im In­ternet veröffentlicht.

Merkwürdiger als die Anzeige, die den Umstand betrifft, daß Teile der Presse augen­scheinlich vorab von Durchsuchungen wußten und vor Ort waren, ist allerdings die For­mulierung „Durchsuchungsgeschehen wegen ‚Hochverrats‘ und weiterer Delikte vom 16.07.2024“.

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Denn unstrittig ist bisher nur, daß es vereinsrechtliche Durchsuchungen im Zusammenhang mit den GmbH-Verboten gab. Daß eine Anzeige wegen des in Rede stehenden Sachverhalts (gemeint war wohl die angebliche Dienstgeheimnis-Verletzung) eingegangen ist, bestätigte mir die Pressestelle des Generalbundesanwaltes bereits am Freitag, den 26.07. Zugleich teilte die Pressestelle mit: „Im Auftrag der Bundesanwalt­schaft erfolgten am 16. Juli 2024 keine Durchsuchungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Sie interessierenden Sachverhalt.“ In diesem Satz war mit „Sachverhalt“ wohl vielmehr das angebliche Hochverrats-Verfahren gemeint. Eine der gestellten Fragen hatte jedenfalls gelautet: „Trifft es zu, daß am 16.07.2024 nicht nur vereinsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Durchsuchungen (wegen ‚›Hochverrats‹ und weiterer De­likte‘) stattfanden?“

Auf die Nachfrage, „Aber gibt es (bei Ihnen) ein Ermittlungsverfahren wegen Hochver­rats in dem ‚Compact‘-Kontext? Oder auch nicht?“, benötigte die Antwort dann eine ganze Woche – und die Antwort fiel bloß ausweichend aus: „Die Bundesanwaltschaft in­formiert die Öffentlichkeit über ihre Ermittlungsverfahren regelmäßig im Falle von Fest­nahmen und Anklageerhebungen. Abgesehen hiervon teilt die [BAW] grundsätzlich nicht mit, ob sie bestimmte Ermittlungen führt oder mit einem bestimmten Sachverhalt be­fasst ist.“

Zugleich teilte die GBA-Pressestelle am Freitag vergangener Woche auf Anfrage mit, daß die Anzeige-Sache wegen der angeblichen Dienstgeheimnis-Verletzung mittlerweile „zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Berlin“ abgegeben wurde. Die General­staatsanwaltschaft (GStA) Berlin bestätigte ihrerseits am Freitag der vergangenen Wo­che die Abgabe. Und sie bestätigte auch, daß die im Internet veröffentlichte Datei jeden­falls dem Gegenstand, dem Schriftbild und der Seitenzahl nach der eingegangenen An­zeige entspricht. Von einem Hochverrats-Ermittlungsverfahren im „Compact“-Kontext weiß die Berliner Generalstaatsanwaltschaft nach eigenen Angaben aber nichts; auch die Akte zu der Anzeige enthalte keine weiteren Hinweise darauf. „Auf welcher Erkennt­nisgrundlage der Anzeigeerstatter dies schreibt, entzieht sich hiesiger Kenntnis“, so die GStA-Pressestelle.

Die dem Islohner Anwalt am Freitag, den 02.08.2024 kurz vor 16:00 Uhr gestellten Fra­gen, „Gab es am ‚16.07.2024‘ tatsächlich Durchsuchungen ‚wegen ›Hochverrats‹ und weiterer Delikte‘? […]. Oder handelte es sich insoweit in der Anzeige um einen Schreib- oder copy- & paste- oder ähnlichen Fehler, und Sie meinten die eh allgemein bekannten vereinsrechtlichen Durchsuchungen?“, sind eine Woche später weiterhin unbeantwortet. – Vielleicht hat der Anwalt schlicht die jetzigen vereinsrechtlichen Durchsuchungen mit den schon einige Zeit zurückliegenden Haussuchungen im „Reichsbürger“-Spektrum wegen Hochverrats in einen Topf gemengt…

Wegen der ausweichenden Antwort des Generalbundesanwaltes („teilt die [BAW] grundsätzlich nicht mit, ob sie bestimmte Ermittlungen führt oder mit einem bestimmten Sachverhalt befasst ist.“) fragte ich auch noch

  • die vier Innenministerien und die vier Generalstaatsanwaltschaften der Bundeslän­der, in denen am 16. Juli Haussuchungen im Kontext des Verbotes der der Com­pact-Magazin GmbH und der Conspect-Film GmbH stattfanden,sowie
  • die drei Oberlandesgerichte, vor denen zur Zeit Hochverrats-Prozesse gegen Leute aus der sog. „Reichsbürger“-Szene stattfinden,

nach Kenntnissen über ein Hochverrats-Ermittlungsverfahren der in Rede stehenden Art. –

Inzwischen sind von den meisten gefragten Stellen Antworten eingegangen:

Antwort der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft von Montag, den 05.08.2024: „bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sind keine Ermittlungsverfahren in der von Ihnen geschilderten Art anhängig“; und ergänzende Auskunft von Mittwoch, den 07.08.2024: „der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sind derzeit für den hiesigen Zu­ständigkeitsbereich keine solchen Verfahren bekannt.“

Antwort des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom selben Tage: „Zu den von Ihnen aufgegriffenen Umständen kann von hier aus nichts gesagt werden. Verbindun­gen zwischen dem hiesigen Verfahren Az 8 St 2/23 und Mitgliedern der Compact-Maga­zin GmbH sind hier nicht bekannt. Eine Hausdurchsuchung vom 16.7.2024 ebenfalls nicht.“

Antwort der Landesdirektion Sachsen von Dienstag, den 06.07.2024: „Der Landesdi­rektion Sachsen liegen keine Informationen zu einem derartigen Verfahren vor.“

Antwort der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg vom selben Tage: „Ein anderweiti­ges Ermittlungsverfahren wegen Hochverrats ist mir nicht bekannt. Derartige Verfahren werden in der Regel von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geführt.“

Antwort eines Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg – ebenfalls vom selben Tage –: „Im Kontext der Maßnahmen am 16. Juli 2024 ist mir kein Ermitt­lungsverfahren wegen Hochverrats bekannt geworden.“

Antwort des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt am Mittwoch, den 07.08.2024: „Der Landespolizei Sachsen-Anhalt sind keine Ermittlungsverfahren im Sin­ne Ihrer Anfrage bekannt.“

Antwort der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main von Donnerstag, den 08.08.2024: „für Ermittlungen wegen Hochverrats ist in Deutschland grundsätzlich der Generalbundesanwalt zuständig. […]. Unsere Behörde äußert sich generell nicht dazu, ob andere Behörden Ermittlungsverfahren führen oder nicht, insoweit bitte ich um Ihr Verständnis.“1

Antwort des Oberlandesgerichts München vom selben Tage: „Eine Verbindung zwi­schen einer Compact-Magazin GmbH und den Angeklagten im hier beim 9. Strafsenat laufenden Verfahren ist mir nicht bekannt.“

Antwort des hessischen Innenministeriums von heute (Freitag, den 09.08.2024): „zumindest bei der hessischen Polizei ist kein Hochverratsverfahren bekannt, das in diesem Zu­sammenhang geführt wird. Grundsätzlich obliegt die Pressehoheit der federführenden Behörde, in diesem Fall dem Bundesministerium des Innern und für Heimat.“2

Es fehlen also noch die Antworten

  • des Oberlandesgerichts Stuttgartsowie
  • des Innenministeriums Brandenburg.

Von den örtlichen Staatsanwaltschaften habe ich bisher nur die in Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus gefragt, ob sie Kenntnis von einem derartigen Hochverrats­verfahren haben – und auch erst heute; erstere beiden haben bereits geantwortet:

Potsdam: „nein.“

Frankfurt/Oder: „die Pressehoheit obliegt der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nur hinsichtlich der von ihr geführten Ermittlungsverfahren und ihres Zuständigkeitsberei­ches. Nur insoweit bin ich zu Recherchen in der Lage und zur Auskunft berechtigt. Da­her kann und darf ich zu Verfahren bei anderen Staatsanwaltschaften (oder zu der Fra­ge, ob es dort solche Verfahren gibt), keine Auskunft erteilen.“3

Nach alledem scheint mir – trotz der Tatsache, daß die Generalbundesanwaltschaft vor­zieht, sich bedeckt zu halten4, und trotz der unvollständigen Antworten des LMI Hessen, der GStA FfM und der StA FfO sowie des Ausstehens der Antworten des OLG Stuttgart, des LMI Brandenburg und der StA Cottbus – eher wahrscheinlich,

  • daß es kein Hochverrats-Ermittlungsverfahren im ‚›Compact‹-Kontext‘ gibtund
  • daß Rechtsanwalt Sch.
    • entweder absichtlich eine Ente in die Welt gesetzt hat
    • oder vielleicht schon im Kontext der längere Zeit zurückliegenden sog. „Reichsbürger“-Durchsuchungen Anzeige wegen angeblicher „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ erstattet hatte – und jetzt in seiner alten Datei weiterarbeitete, ohne
      • „Durchsuchungsgeschehen wegen ‚Hochverrats‘ und weiterer Delikte“
      • gegen „vereinsrechtliches Durchsuchungsgeschehen“

      auszutauschen.


1 Vgl. Fußnote 2. – Auch der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte ich Ähnliches geantwortet. Rück-Antwort steht noch aus.

2 Meine Rück-Antwort:

vielen Dank. –
Pressehoheit‘ scheint mir allerdings weder ein Begriff des § 3 Hessisches Pressegesetz noch des Art. 5 I, II GG zu sein.
Außerdem hat das BVerwG bereits entschieden:
Auf Grund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinrei­chend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Ver­traulichkeit nicht entgegenstehen. […]. Gegenstand des Anspruchs sind diejenigen Informationen, die bei der auskunftspflichtigen Stelle VORHANDEN (!) sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 – 10 C 18.19 – BVerwGE 167, 319 Rn. 28; Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 – 6 A 3.20 – DVBl 2021, 588 Rn. 11 und vom 23. März 2021 – 6 VR 1.21 – NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 17). Vorhanden sind die Informationen nicht nur dann, wenn sie elektronisch gespeichert oder verschriftlicht in Akten oder Vorgängen enthalten sind. Zu den bei der Behörde vorhandenen Informationen gehören auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wur­den (ebenso zum Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV: BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 – 10 C 1.20 – juris Rn. 25).‘ (https://www.bverwg.de/de/080721U6A10.20.0, Tz. 18, 22)
Vgl. auch https://gesetze.berlin.de/perma?d=NJRE001295648, Tz. 87 – zu Auskunftspflichtkeit des Bun­deskanzleramts über den Inhalt eines dort vorhandenen Schreiben der GStA Koblenz (Tenor Nr. 3.: ‚wel­chen Inhalt die ergänzenden rechtlichen Ausführungen (›Randschreiben‹) der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz […] haben‘).“

führte noch zu keiner Reaktion.

3 Das in Fußnote 2 Gesagte gilt auch hier sinngemäß.

4 „Die Bundesanwaltschaft informiert die Öffentlichkeit über ihre Ermittlungsverfahren regelmäßig im Falle von Festnahmen und Anklageerhebungen. Abgesehen hiervon teilt die [BAW] grundsätzlich nicht mit, ob sie bestimmte Ermittlungen führt oder mit einem bestimmten Sachverhalt befasst ist.“

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