vonDetlef Georgia Schulze 08.04.2025

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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1. Heute erging eine neue Entscheidung des US-Supreme Court – und zwar in Sachen Entlassung und Wiedereinstellung von Probezeit-Beschäftigten.

Die Entscheidung ist inklusive zwei abweichender Voten eine Seite und ein paar Zeilen lang.

Der entscheidende Absatz lautet:

„The District Court’s injunction was based solely on the allegations of the nine non-profit-organization plaintiffs in this case. But under established law, those allegations are presently insufficient to support the organizations’ standing. See, e.g., Clapper v. Amnesty Int’l USA, 568 U. S. 398 (2013). This order does not address the claims of the other plaintiffs, which did not form the basis of the District Court’s preliminary injunction.“
(https://www.supremecourt.gov/orders/courtorders/040825zr_1b8e.pdf, S. 1; Hv. hinzugefügt)

Mir ist im Moment nicht klar, ob das eine prinzipielle Entscheidung zur Klagebefugnis der non-profit-organizations ist oder ob aussichtsreiche Chancen bestehen, den den Organisationen durch die Entlassungen entstandenen Schaden und dadurch deren Klagebefugnis im weiteren Verlauf des Verfahrens vor dem District Court besser zu untermauern.

Die praktischen Auswirkungen der heutigen Entscheidung sind jedenfalls gering: Die Entscheidung betrifft nicht die andere KlägerInnen (insbesondere Gewerkschaften) in dem gleichen Verfahren (siehe die Hervorhebung im Zitat) und auch nicht die Entscheidung eines anderen District Court auf Antrag von Bundesstaaten:

„the decision’s ultimate impact is murky because another federal judge has issued a separate order reinstating many of the same probationary workers. […]. The justices said [außerdem!] they were not addressing the standing of the unions who joined the same lawsuit.“
(https://www.politico.com/news/2025/04/08/trump-federal-workers-firing-supreme-court-00278742)

2. Bereits am späten gestrigen Abend MESZ erging in dem Supreme Court-Verfahren in Sachen Alien Enemies Act / Tren de Aragua eine Entscheidung. Darüber berichte ich in der jungen Welt von Mittwoch:
https://www.jungewelt.de/artikel/497760.usa-rechtsschutz-f%C3%BCr-abgeschobene.html.
These: Die Entscheidung „ist für die US-Regierung weitaus weniger ein Sieg, als es auf den ersten Blick scheint“.

Ein ausführlicherer Artikel als in der jW wird dazu in Kürze an anderer Stelle erscheinen.

3. Inzwischen gibt es schon ein neues District Court-Verfahren wegen des Alien Enemies Act – und zwar in der Supreme Court verlangten Verfahrensart (habeas corpus [*]-Antrag) und trotzdem außerhalb Texas‘, wo viele von Abschiebung Bedrohten inhaftiert sind und wo die Regierung die Gerichtsverfahren gerne hätte (wenn es denn schon welche gibt).

Warum nun New York? – Die Regierung hatte am oder um den 4. April herum zwei der Kläger des ursprünglichen Verfahrens (aus Texas) zurück nach New York gebracht, sodaß sie ihren habeas corpus-Antrag jetzt dort einreichen konnten:

G.F.F. v. Trump (1:25-cv-02886)
District Court, S.D. New York
https://www.courtlistener.com/docket/69857769/gff-v-trump/

„Venue is proper in this District […] because at the time of the filing of this action the Petitioners were detained in the Respondents’ custody within the Southern District of New York; […]. Because his immigration counsel alerted undersigned counsel, G.F.F. [= einer der beiden Kläger in dem New Yorker Verfahren] was able to secure a temporary restraining order in J.G.G. [der Kläger, der dem ursprünglichen Verfahren im District of Columbia den Verfahrensnamen gab] and pulled off the plane before being deported on March 15. He was then transferred back to Orange County Correctional Facility in Goshen, New York, on or about April 4, and now faces imminent removal despite having ongoing immigration proceedings and having given testimony and offered evidence to support his applications for asylum, withholding of removal, and protection under the Convention Against Torture. […]. Because his immigration counsel alerted undersigned counsel, J.G.O. [= der zweite Kläger des New Yorker Verfahrens] was able to secure a temporary restraining order in J.G.G. and pulled off the plane before being deported on March 15. He was transferred to Orange County Correctional Facility in Goshen, New York, around April 4, and now faces imminent removal despite being scheduled for an Individual Hearing on May 2, 2025, to present testimony and evidence in support of his applications for asylum, withholding of removal, and protection under the Convention Against Torture.“
(https://assets.bwbx.io/documents/users/iqjWHBFdfxIU/rSI.te1kzPac/v0, S. 3, 4 und 5 der gedruckten bzw. S. 4, 5 und 6 der digitalen Seitenzählung – via https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-04-08/irs-agrees-to-share-tax-data-on-immigrants-for-criminal-cases)

Die Frage des Gerichtsorts ist wichtig, weil die verschiedenen – den District Courts übergeordneten – Appeals Courts deutlich unterschiedlich zusammengesetzt sind: Die Nachrichtenagentur bloomberg.com hatte am 15. Februar 2025 eine Karte veröffentlicht, wonach

  • dem Appeals Court für den District of Columbia vier von republikanischen Präsidenten und sieben von demokratischen Präsidenten nominierte RichterInnen angehören,

  • dem fünften Appeals Court, der u.a. für Texas zuständig ist, dagegen fünf von demokratischen Präsidenten nominierte RichterInnen, aber 12 von republikanischen Präsidenten nominierte RichterInnen.

  • Der 2. Appeals Court, der u.a. dem District Court für den Southern District des Bundesstaates New York übergeordnet ist, hat nach dieser Aufstellung sechs RichterInnen, die von republikanischen Präsidenten nominiert wurden und sieben die von demokratischen Präsidenten nominiert wurden.

Siehe des weiteren zum Stand der verschiedenen Verfahren:

Gut Ding will (W)Eile haben? Trump beantragt Aussetzung der District Court-Entscheidung wg. AEA/TdA. Mittlerweile sind sechs stay-Anträge d. Regierung beim Supreme Court anhängig
https://blogs.taz.de/theorie-praxis/gut-ding-will-weile-haben/ (vom 28.03.2025)

Steve Vladeck und Alyssa Negvesky haben Daten über 67 Verfahren gesammelt, in denen vorläufiger Rechtsschutz gegen die Trump-Administration II beantragt und 46-mal gewährt wurde.
„data […] suggests that the cause of [… the] flurry of judicial activity is neither the judges nor the courts; it’s the policies they’re reviewing“https://blogs.taz.de/theorie-praxis/steve-vladeck-und-alyssa-negvesky-haben-daten-ueber-67-verfahren-gesammelt-in-denen-vorlaeufiger-rechtsschutz-gegen-die-trump-administration-ii-beantragt-und-46-mal-gewaehrt-wurde/ (vom 31.03.2025)


[*] https://www.law.cornell.edu/wex/habeas_corpus: „The habeas corpus first originated back in 1215, through the 39th clause of the Magna Carta signed by [English] King John, which provided ‚No man shall be arrested or imprisoned…except by the lawful judgment of his peers and by the law of the land,‘“ (Hyperlinks hinzugefügt)
https://www.etymonline.com/word/habeas%20corpus: „Latin, literally ‚(you should) have the person,‘ in phrase habeas corpus ad subjiciendum ‚produce or have the person to be subjected to (examination),‘ opening words of writs in 14c. Anglo-French documents to require a person to be brought before a court or judge, especially to determine if that person is being legally detained. From habeas, second person singular present subjunctive of habere ‚to have, to hold‘ (from PIE root *ghabh- ‚to give or receive‘) + corpus ‚person,‘ literally ‚body‘ (see corporeal).
Siehe auch noch https://dictionary.justia.com/habeas-corpus.

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https://blogs.taz.de/theorie-praxis/zwei-neue-supreme-court-entscheidungen-1-wg-alien-enemies-act-aea-2-wg-probezeitbeschaeftigten-ausserdem-neues-district-court-verfahren-wg-aea/

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