vonEva C. Schweitzer 08.07.2009

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Hatte ich mich neulich beschwert, dass Barack Obama tagtäglich, stündlich, dauernd im Fernsehen zu sehen ist, als sei er Honecker? Gott hat mich dafür bestraft, er ließ Michael Jackson sterben. Seitdem gibt es im Fernsehen nur noch einen Menschen, das ist Michael Jackson. Jacksons Leben, sein Sterben, seine Musik, sein Moonwalk, seine Medikamente, seine Kinder, seine verkrachte Ehefrau, seine Eltern, sein Rummelplatz „Neverland“ in Santa Barbara, wo die zahmen Affen toben wie einst bei Ronald Reagan (ich wusste gar nicht, dass Neverland in Kalifornien liegt, ich dachte, es sei in der Nähe von Las Vegas), seine Fans und seine Beerdigung. Jacksons Bruder Jermaine bei Larry King, Jackson-Witze bei Jon Stewart, Jackson-Memorabilia mit Matt Lauer, oder war es Brian Williams? Irgendwie sehen die alle gleich aus.

Wo waren wir? Richtig, die Serie: „Der Redakteur“. Ich möchte diese extrem nachrichtenarme Zeit nutzen, verschiedene Typen des Redakteurs darzustellen – darunter natürlich keiner, mit dem ich vertrauensvoll zusammenarbeite, hier geht es darum, jungen Kollegen mit abschreckenden Beispielen vertraut zu machen, damit sie was lernen. Fangen wir an mit der Plaudertasche ohne Portfolio.

Die Plaudertasche ohne Portfolio ist immer furchtbar nett und findet es furchtbar spannend, dass die Korrespondentin in Amerika wohnt, und möchte furchtbar gerne immer dies und das wissen, weil, das sei für die Leser einer Tageszeitung doch furchtbar interessant. Zum Beispiel, wie ist das in New York mit den Mieten? Der Polizei? Der U-Bahn? Ist die Bronx immer noch so gefährlich (nein), gibt es Coney Island noch (ja) und was halte ich von Thomas Friedman (gar nichts).

Leider negiert die Plaudertasche ohne Portfolio das wichtigste, nämlich, irgendwann einmal einen Auftrag rüberwachsen zu lassen. Das liegt daran, dass sie gar keine Aufträge erteilen darf, sondern für etwas ganz anderes zuständig ist, sagen wir, Damenhandball oder Leserbriefe redigieren. Damit ist sie das Equivalent eines Teenagers, der sich in einem HiFi-Laden eine Stunde lang beraten lässt, welche Home-Entertainment-Anlage die beste ist, der aber nur einen Kaugummi und ein Stück Schnur in der Tasche hat.

Getoppt wird das nur von der Plaudertasche, die New York so spannend findet, dass sie tatsächlich Aufträge erteilt. Wenn der fertige Artikel kommt, stellt sich aber leider heraus, es gibt dafür keinen Sendeplatz, denn die Plaudertasche hat nicht mit dem zuständigen Redakteur gesprochen. Der könnte das ja in eine Einmischung in seine Kompetenzen missverstehen, plus, das macht Arbeit. Auf sowas steht Kielholen. Plaudertaschen hingegen, die einfach nur Beratung für ihren nächsten Urlaub brauchen, empfehle ich mein u.g. Buch.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009,Taschenbuch, 9,95 €

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