vonHelmut Höge 28.02.2009

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Weil man mich immer mal wieder anpisst, selbst in einigen taz-blogs, hier nun auch mal was Gutes über mich – den Nachweis nämlich, dass ich sowohl meiner ersten politischen Bezugsgruppe („Die soziale Revolution ist keine Parteisache“) als auch meiner letzten (der ostdeutschen Betriebsräteinitiative) treu geblieben bin, obwohl es beide nicht mehr gibt. Aufgefallen ist mir das aber eigentlich erst, als ich gestern einen Text für die Junge Welt schrieb – zum drohenden Glühbirnen-Verbot:

Das nahm ich persönlich: „It’s better to burn out than to fade away,“ schrieb die taz-Online-Redakteurin unter das Photo einer brennenden Glühbirne, mit dem sie meinen Artikel über das Kartell der Elektrokonzerne (IEA) illustriert hatte. Es ging darin um die immer wieder von der IEA, mit Sitz in Pully bei Lausanne, verfügte Verkürzung der Lebensdauer ihrer Glühbirnen, um den Absatz zu erhöhen. Noch in den Zwanzigerjahren konnten Arbeiterhaushalte sich nur eine 15-Watt-Glühbirne leisten, die bloß für wenige Stunden abends angeknipst wurde. Meine Beschäftigung sowie die von taz-Kulturredakteur Mathias Broeckers mit der Politik des Elektrokartells begann nach Lektüre des Romans von Thomas Pynchon „Die Enden der Parabel“ 1981/82, in dem es u.a. um diese  „Glühbirnenverschwörung“ ging.

Mein Studium gipfelte 1993 in der Wiederherausgabe der Betriebszeitung des Berliner Glühlampenwerks Narva „Lichtblicke“, in der über den Fortgang der von  Siemensmanagern in der Treuhandanstalt verfügten „Abwicklung“ des Werkes an der Oberbaumbrücke berichtet wurde. Aufgrund der öffentlichen Proteste konnte die Abwicklung gestoppt werden.Stattdessen wurde das Werk dann aber an drei nicht gerade gut beleumdete Westberliner Immobilienentwickler verkauft. Sie versprachen, die letzten 1000 „Arbeitsplätze im Licht“ zu erhalten, boten Osram insgeheim aber bereits die besten Produktionsanlagen von Narva zum Kauf an. Nach erneuten Protesten machte die Treuhand den Verkauf rückgängig – und privatisierte das Werk noch einmal: an einen bayrischen Großbauern. Dieser hielt allerdings alle seine Versprechen ein. Nichtsdestotrotz ist Narva heute ein  halbleer stehender Bürokomplex, der „Oberbaum-City“ heißt.

Ihr Hausmeister (sic) ist der letzte Betriebsratsvorsitzende Michael Müller, der einst die Proteste organisiert hatte – und damit  wesentlich zur Gründung der „ostdeutschen Betriebsräteinitiative“ beitrug. Diese umfaßte bald Vertreter aus fast 50  DDR-Großbetrieben, löste sich nach dem verlorenen Hungerstreik der Bischofferöder Kalikumpel 1993 jedoch auf. Deren Wiederstand hatte mit einem Flugblatt des Bremer Kalikartell-Experten Peter Arnold begonnen, das dieser an die einfahrende Schicht verteilt hatte – sie blieb anschließend gleich unten und besetzte den Schacht. Es war ein gutes Flugblatt! Daran kam später nur noch ein ND-Artikel über den „Kalikonflikt“ von Gregor Gysi heran.

Auf einer Konferenz der ostdeutschen Betriebsräte in Rostock, zu der der Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Seereederei Eberhard Wagner eingeladen hatte, äußerte sich auch der damalige Sprecher des Deutschen Unternehmenerverbandes Tyll Necker über die ökonomisch widersinnige Schließung der Bischofferöder Grube – die er jedoch für einen Ausnahmefall  hielt: „Bei Kali hat es nie eine Marktwirtschaft gegeben. Ende der Durchsage!“ Der für den Braunkohle- und den Kalibergbau damals in der Treuhand zuständige Manager Klaus Schucht argumentierte in einem  Spiegel-Interview etwas anders: Der Bischofferöder Kampf habe „eine gewaltige Wirkung, auch auf Betriebe im Westen“. Wenn man den nicht breche, „wie will man dann noch Veränderungen bei den Arbeitsplätzen durchsetzen?!“

Von den Bischofferöder  Betriebsräten ist heute einer Hausmeister der Werks-Poliklinik, die sich die arbeitslosen Kumpel mit dem Geld aus ihrem Soli-Fonds leisteten – um es zu einer Art „Traditionskabinett“ umzubauen. Auch der Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Seereederei (DSR), die zwei mal privatisiert wurde und nun einem koreanischen Konzern gehört, ist heute Hausmeister – auf dem in Bremerhaven liegenden Forschungsschiff „Polarstern“ des „Alfred-Wegener-Instituts“. Ähnlich wurde auch aus dem Betriebsratsvorsitzenden des großen Elektroapparatewerkes (EAW) an der Treptower Brücke ein  Hausmeister – des Lafayette-Quartiers in der Friedrichsstraße, dass der zwischenzeitlich inhaftierte Immobilienentwickler Roland Ernst baute, nachdem er das EAW in eine Allianz-Zentrale – „Trep-Towers“ genannt – umgewidmet hatte. Auch er hielt sich im übrigen an alle Vereinbarungen, die er mit den Belegschaftsvertretern ausgehandelt hatte. Die Kombinatsjustitiarin von Narva meinte desungeachtet am Ende aller Tage (Kämpfe) – in einer „Beschäftigungsgesellschaft“ („Avran“ genannt – Narva rückwärts buchstabiert) gewissermaßen ruhend:

„Unterm Strich war das Ganze eine reine Spiegelfechterei.“ Jetzt werden jedoch europaweit alle  „Arbeitsplätze im Licht“ abgewickelt, denn ab Ende 2009 soll die Glühbirne schrittweise verboten werden. Es gibt jedoch noch Widerstand dagegen – angeführt vom Lampendesigner Stiletto in der Auguststraße und einigen Comrads in Crime, zu denen auch ich lose gehöre.

Abgesehen davon würden der AEG-Betriebsrat Gerhard Lux und ich gerne wissen, was die ehemaligen Mitstreiter aus der Betriebsräterinitiative inzwischen machen. Sie sind wahrscheinlich nicht alle Hausmeister bzw. Aushilfshausmeister geworden, obwohl auch ihre Betriebe längst abgewickelt wurden:

Der Betriebsratsvorsitzende von Krupp Stahlbau Karl Köckenberger schaffte sich rechtzeitig ein zweites Standbein an – indem er vier Kinderzirkusse namens „Cabuwazi“ gründete. Dafür bekam er kürzlich das Bundesverdienstkreuz am Bande. In Ostberlin wurde erst die Firma „B-Stahl“ abgewickelt und dann auch seine Firma Krupp Stahlbau in Westberlin: Kurz vor Fertigstellung des letzten Großauftrags rückte um Mitternacht die Geschäftsführung mit Lkws an, um heimlich alle Teile und Maschinen nach Hannover zu schaffen. Der Belegschaft und Köckenberger gelang es zwar noch, den Abtransport mit einer Menschenkette zu verhindern. „Aber danach war trotzdem Schluss!“

Dem Betriebsratsvorsitzenden der Filmfabrik Orwo in Wolfen, Hartmut Sonnenschein, gelang zwar mit Demos und allem Drum und Dran eine Teilprivatisierung  seines riesigen Werkes – durch einen Westberliner Filmhändler, aber diese erwies sich als eine bloße Scheinprivatisierung. So wie auch die des fast ebenso großen Kabelwerks Oberspree (KWO) durch einen englischen Konzern (die Kabelhersteller sind ebenso streng kartellisiert wie die Kali-, Zement- und Aluminiumkonzerne!).

Ähnlich kriminell ging es auch bei der Elpro AG in Marzahn zu, einst eines der DDR-Vorzeigeunternehmen. Beim Versuch, sich gegen den Plattmachwunsch von Siemens zu wehren, landeten am Ende einige Geschäftsführer vor Gericht und einer im Knast. Als General Electric den Restbetrieb aufkaufen wollte, trafen sich einen Tag vor Vertragsunterzeichnung einige Siemens-Manager mit den GE-Managern in Belgien und überredeten sie, das Werk nicht zu übernehmen, im Gegenzug würde Siemens ihnen helfen, wieder im Iran geschäftlich Fuß zu fassen. Die Elpro AG wurde danach zügig immer kleiner, irgendwann war sie so gut wie verschwunden – und ihr Betriebsrat Jürgen Lindemann wurde arbeitslos. Zudem hatte er sich von seiner BR-Abfindung eine Eigentumswohnung in Kassel zugelegt, die unvermietbar war, so daß er bald auch noch einen Haufen Schulden hatte. Heute ist er in der Initiative Berliner Bankenskandal aktiv.

Zwei seiner Kollegen in Oberschöneweide, vom Kabelwerk (Aslid) und vom Transformatorenwerk (Tro), versuchten der Abwicklung ihrer Werke mit kleinen Ausgründungen zuvor zu kommen: beide scheiterten. Der eine verschwand, der andere wurde angeblich verrückt.

Der  Betriebsratsvorsitzende  des Werks für Fernsehelektronik in Oberschöneweide, Wolfgang Kippel, pflegte nach der Übernahme des WF durch Samsung zu sagen: „Wer es schafft, bei Samsung reinzukommen, der verlässt den Betrieb als Rentner.“ Aber dann machte der koreanische Konzern das Werk doch plötzlich dicht.  Wo Kippel nun arbeitet und ob überhaupt, wissen wir nicht.

Einer der nie so optimistisch war, aber dennoch immer noch als Betriebsrat wirkt, ist der oben bereits erwähnte Gerhard Lux. Er arbeitet in einem AEG-Werk in Marienfelde. Auch die AEG wurde inzwischen abgewickelt, aber sein Betriebsteil übernahm ein französischer Konzern: „Wie lange das gut geht, weiß ich nicht,“ meinte er auf der letzten 1.Mai-Demo der Gewerkschaften. Und schlug dann ein Treffen aller bis 1994 in der ostdeutschen Betriebsräteinitiative Engagierten vor.

Die zwei weiblichen Betriebsräte des Werks für Mikroelektronik in Frankfurt/Oder fanden nach Abwicklung ihrer Fabrik Jobs in einem sogenannten Sozialbetrieb…aber ob sie da noch sind?

Ähnlich wie sie orientierte sich auch der Betriebsratsvorsitzende der Kaligrube von Bischofferode, Gerhard Jütemann, um: Er saß nach Abwicklung seines Werkes bis 2002 für die PDS im Bundestag. Nun züchtet er Tauben. Ein Betriebsratskollege von ihm wurde schwer krank. Aber dann bekam er sein Land wieder, schaffte sich eine Kuh an und als die kalbte ging es ihm langsam wieder besser, wie mir die damals ebenfalls sehr engagierte evangelische Pastorin Christine Haas bei meinem letzten Besuch in Bischofferode erzählte. Ansonsten beklagte sie sich, „daß jetzt nach der Niederlage so viel rückwärtsgewandtes Zeug im Eichsfeld passiert: Schützenvereinsgründungen, Traditionsumzüge und sogar Fahnenweihen – zum Glück hat man so was noch nicht an mich herangetragen.“

Und schließlich Hanns-Peter Hartmann, Betriebsratsvorsitzender des Ostberliner Batteriewerks BAE-BELFA: 1992/93 trat seine Belegschaft zwei Mal in einen unbefristeten Hungerstreik, den sie zudem mit einer „Protestproduktion“ verbanden: Die Treuhandanstalt hatte sie zuvor auf „Nullstunden Kurzarbeit“ gesetzt und infolge der von ihr in den DDR-Betrieben verfügten  Massenentlassungen – treuhandintern „Großflugtage“ genannt – , die Mitarbeiterzahl bereits so weit reduziert, dass die Belfa-Beschäftigten befürchteten, mangels Arbeitskräfte bald überhaupt keine Batterien mehr produzieren zu können. Ihr erster Hungerstreik richtete sich deswegen gegen einen weiteren Personalabbau, ihr zweiter gegen einen „Abwicklungsbeschluss“ der Treuhandchefin Birgit Breuel, nachdem die THA-Privatisierungsmanager  angeblich keinen „seriösen Käufer“ für das Batteriewerk gefunden hatten.

Der mithungerstreikende  Betriebsratsvorsitzende von Belfa, Hanns-Peter Hartmann lief währenddessen zu wahrer Hochform auf: Er mobilisierte seine „ostdeutsche Betriebsratsinitiative“, die IG Metall und die IG Medien, die PDS, mich, der ich eine Betriebszeitung herausgab und  jede Menge in- und ausländische Journalisten, die dann über den Streik berichteten. Außerdem verhandelte er noch permanent mit der Treuhand, der SPD und der Bezirksverwaltung (Treptow-Köpenick). Als sein Freund hatte er mich als eine Art Pressesprecher angeheuert, außerdem war ich noch für das Drehen von Joints zuständig, mit deren Hilfe er trotz zunehmender Hungerschwäche diese ganzen Aktivitäten durchhielt – und dabei noch seine Freude hatte. Hilfreich war jedoch auch die gute Stimmung in der Belegschaft, die damals noch aus etwa 60 Leuten bestand. Dass die Belfa-Leute trotz ihrer nur allzu berechtigten Angst vor einem Arbeitsplatzverlust so guter Dinge waren, lag zum einen daran, dass sie selbst aktiv geworden waren – und kämpften, indem sie ihren Betrieb Tag und Nacht besetzt hielten, und zum anderen, weil die aus dem Widerstand der Belegschaft des Berliner Glühlampenwerks Narva gegen ihre Abwicklung hervorgegangene „ostdeutsche Betriebsräteinitiative“ sich damals blitzschnell über die ganze DDR ausbreitete. Obwohl wir uns intern immer heftiger stritten und einige Gewerkschaften die Initiative immer heimtückischer bekämpften, beflügelte uns dieser Erfolg sowie die ganzen sich daraus entwickelnden Aktivitäten, zu der dann auch die beiden Hungerstreiks bei Belfa gehörten.

Vielleicht kann ich hier später noch ein Photo reinsetzen, das einen Großteil der damals noch vorhandenen Belegschaft zeigt, die sich um einen ihrer zu fahrbaren Verkaufsständen umgerüsteten betriebseigenen Ferienwohnwagen gescharrt hat – auf Wunsch eines „stern“-Photographen, der sich zum Knipsen auf einen Stuhl gestellt hat. Dass wir ihn überhaupt dazu bewegen konnten, zum Batteriewerk rauszukommen, stimmte die Belegschaft schon froh – obwohl sie dann ihrem selbstgestellten Kampfauftrag gemäß einen eher finster entschlossenen Gesichtsausdruck machen mußten. Das gelang ihnen so gut, dass ich das ganze ebenfalls knipste.

Wir hingen Tag und Nacht alle zusammen auf dem besetzten Betriebsgelände, erzählten uns Geschichten und machten Witze, diskutierten mit Journalisten, Politikern und Abordnungen aus anderen Betrieben und manchmal beriefen Hartmann und seine Stellvertreterin, die „Königin“, noch um Mitternacht eine Belegschaftsvollversammlung in der Kantine ein, um die neuesten Ergebnisse aus ihren Verhandlungen mit der Treuhand mitzuteilen. In einem Raum gleich dahinter hatte man Feldbetten für die Hungerstreikenden aufgestellt, dort war sozusagen das Zentrum, aber etliche Belfaleute hatten daneben wie erwähnt auch die Produktion teilweise wieder in Gang gesetzt und arbeiteten an diversen Bändern bzw. Maschinen. Um dabei das gesamte Sortiment an Gerätebatterien voll zu kriegen, griff man jedoch auch auf zugekaufte Billigbatterien aus Indien zurück, wohin man zu DDR-Zeiten immer welche geliefert hatte. Die Billigbatterien wurden in einem Geheimkabinett genannten Raum von einer extra dafür neugebildeten Brigade „umgeklebt“ – d.h. mit Belfa-Logos versehen. Die Ergebnisse der Protestproduktion wurden von Manne, einem ehemaligen DDR-Gewichtsheber, in die Treuhand an der Leipzigerstrasse gekarrt. Auch nachts fuhren wir dort noch hin – um an die leerstehenden Fabrikgebäude in der Umgebung der Treuhandanstalt riesige Protesttransparente  anzubringen – und zwar so hoch, dass die THA-Wachschützer sich weigerten, da raufzuklettern, um sie abzureißen.

Mit Belfa ging es schließlich so weiter, dass Hanns-Peter Hartmann selbst zwei dynamische Münchner Jungmanager auftrieb,  die schließlich den Betrieb von der Treuhand übernahmen – mit 46 Mitarbeitern. Als Erstes entließen die neuen Chefs ihn, den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden – mit den Worten: „Wir brauchen Sie nicht mehr, Herr Hartmann, der Klassenkampf ist jetzt beendet!“ Für diesen Spaß gab ihnen die Treuhand 150.000 DM vom Kaufpreis zurück, denn so viel sprach ein Gericht wenig später dem an sich unkündbaren Betriebsratsvorsitzenden zu. Kurioserweise blieb er trotz Hausverbots weiterhin Vorsitzender. Die neuen Fabrikbesitzer verfolgten eine „Private-Label-Strategie“, d.h. sie ließen die Gerätebatterien mit Marilyn-Monroe-Porträts, Bayern-München-Logos und ähnlichem bekleben, während sie eine Maschine nach der anderen stillegten und stattdessen auf immer mehr Billigbatterien zurückgriffen. Ihre „Nischenstrategie“ war jedoch ein Flop: 2001 wurden die letzten 12 Mitarbeiter entlassen und der Betrieb dicht gemacht.

Hartmann saß zunächst, nach einer kurzen Arbeitslosigkeitsphase, für die PDS im Bundestag.  Sein Wahlkampfmotto lautete: „Ich kämpfe für Arbeitsplätze!“ Bei der Wahl 1998 kandidierte er jedoch nicht mehr – und wurde erneut arbeitslos. Mit seiner 150.000-DM-„Abfindung“ und einem zusätzlichen Bankkredit erwarb er eine moderne Eigentumswohnung, die aber schon seit Jahren leer steht. Er selbst wohnt noch immer bescheiden in einem alten Wohnblock, der zum Batteriewerk gehörte. Dort war es ihm nach der Wende gelungen, für den bleiverseuchten Hinterhof 100.000 DM Begrünungsgeld vom Senat loszueisen – und damit Büsche und Bäume zu pflanzen und einen Koi-Teich anzulegen.

Zwischen 1999 und 2003 bekam er überraschend drei mal eine ABM-Stelle als Projektleiter einer Handwerksbrigade, die Altenwohnungen in Oberschöneweide renovierte. Dabei arbeitete er auch wieder mit ehemaligen Belfa-Kollegen zusammen. Nach zwei Knieoperationen wurde er jedoch als invalid und nicht mehr vermittelbar bis zur Rente eingestuft.  Währenddessen hatte seine Freundin Ewa, die ebenfalls früher bei Belfa gearbeitet hatte, mit ihm zusammen einen kleinen Hof im Lubusker Städtchen Grosno erworben. Dort halten sie inzwischen auch einige Ziegen und müssen deswegen ständig zwischen Berlin und Polen hin und her pendeln. Der gelernte Agraringenieur Hartmann fühlte sich in den letzten Jahren immer niedergeschlagener, die frische Luft im Lubusker Land ließ ihn aber langsam wieder aufleben.

Als ich Hartmann dort das letzte Mal traf, meinte er: „Mich – als gelernter Landwirt – zieht es sowieso aus der Stadt. Die Arbeit in der Batteriefabrik sollte eigentlich nur vorübergehend sein. Ich fing 1979 in einer neuen Abteilung an einer Fließpresse an. Meine Brigade bestand zu 60 Prozent aus Vorbestraften und ‚braunen Socken‘, so nannten die sich selber. Zusammen mit einem Kumpel habe ich es dann geschafft, dass unsere Brigade durch Neuerungsvorschläge und ständigen Druck nach oben schließlich die bestverdienendste des ganzen Betriebes wurde. Das hat mich dort gehalten – und auch noch die Arbeit im Betriebsrat ab 1989. Aber jetzt sind das doch alles nur noch traurige Rückzugsgefechte – in den letzten Fabriken und Firmen“.

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