vonBlogwart 02.02.2010

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„Springer kann auch Satire“ – wenn das zu beweisen war, dann hat Kai Diekmanns Blog, das nach 100 Tagen heute endet, den Beweis angetreten. Zwar gingen einige Versuche schwer daneben und zogen einen stattlichen Berg von Geldstrafen und Gerichtskosten nach sich – würden die taz-BlogerInnen mit dem Presse-und Persönlichkeitsrecht derart hemmungslos umgehen wie der bloggende Bild-Chef wäre der  Laden hier  längst pleite – aber dank einer Steilvorlage der taz, dem Pimmel über Berlin, konnten Genosse Diekmann und sein Blogteam zur satirischen Hochform auflaufen. Wobei mit der  Fake-taz „Wir sind Schwanz!“ dann der Höhepunkt des Blogs markiert wurdeauf Papier.

Dass das Relief „Friede sei mit dir“ in einer Nacht-und Nebel-Aktion  montiert worden war, weil der Künstler Peter Lenk eine Klage fürchtete, hatte auch im Hause taz für einige Irritationen gesorgt, was den Satire-Mafiosi von schräg gegenüber weitere Vorteile verschaffte, sodass die erste Blog-Halbzeit klar an Diekmann ging. Aber, so schon der Ziehvater des Bild-Chefs H.Kohl, „wichtig ist was hinten raus kommt“ – und das Ergebnis wird sich noch zwei Jahre sehen lassen können, denn so lange wird die monumentale Anklage der frömmelnden Friede Springer  und ihrer Blut,-und Sperma-Geldmaschine „Bild“ noch an der taz-Wand bleiben.

Immerhin hat die witzige Art, mit der Kai Diekmann die obszöne Satire auf sein obszönes Blatt konterte, ihm einen Imagegewinn beschert – vornehme Feuilletons und Medienseiten, die sonst einen Bild-Chef kaum mit der Kneifzange anfassen, widmeten ihm wohlwollende Porträts. Tatsächlich läßt sich im Hause Springer durchaus ein Fortschritt in Sachen Humor konstatieren – etwa wenn man das dort jetzt geöffnete Medienarchiv 68 nach den Karrikaturen eines Hans Joachim Stenzel durchforstet, für den  Studenten  als randalierende Untermenschen und Halbaffen auf einer Stufe mit Nazis stehen: „…so haben wir auch mal angefangen, A.H.“ ziert z.B. als Unterzeile die Zeichnung (mit Klick zu vergrößern) vom 15.11.1967.

Ist das noch politischer Humor oder schon demagogische Hetze  ? Das Anarcho-Blatt „Linkeck“, das den Zeichner Stenzel  wegen seines an den „Stürmer“ gemahnenden Stils damals als „Faschist“ bezeichnet hatte, wurde übrigens zu 500 DM Schmerzensgeld verurteilt – auch ’68 durfte Satire eben nicht alles. Rudi Dutschke in der Bild-Zeitung als dämonischen Volksfeind darzustellen war indessen ein durchgängiger Standard.

Verglichen mit derlei Scheußlichkeiten läßt sich ein gewisser zivilgesellschaftlicher Fortschritt der Springer-Humoristen also nicht abstreiten – und den in 100 Tagen Blog einmal aufgezeigt zu haben kann  Diekmann und seinem Team als Verdienst angerechnet werden. An dem unerträglich unterirdischen Niveau der vom Genossen Kai verantworteten „Bild“ freilich hat der Ausflug in die Höhen der Blogosphäre nichts geändert.  „Krebs-Patientin Julia (23) – Ihre Brust bekommt Schweinehaut“ heißt es z.B. heute in einem großzügig bebilderten Artikel. Schweineblatt bleibt  eben Schweineblatt…

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