von 23.09.2011

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Der Schlüssel zu einer besseren Welt, in der Liebe und Mitgefühl und nicht der Kampf regieren? Für Christian Vagedes ist die Antwort klar: das kann nur der Veganismus leisten. Ein Blick in sein erstes Buch „veg up“.



Nimmt man „veg up“ in die Hand, so fällt als sofort auf, dass das gesamte Buch in Kleinbuchstaben geschrieben und zudem im Querformat gesetzt ist. „buchstäblich zeichen setzen im querdenkerformat“ sagt Christian Vagedes dazu. Vagedes ist Gründer der Veganen Gesellschaft Deutschland und möchte mit seinem gerade erschienen Buch zeigen, wie wir durch den Veganismus einen Weg aus unserer „emotional verpanzerten Welt“ in ein friedlicheres und gerechteres Leben finden können.

Reise in unsere fleischeslustige Vergangenheit

Von Nietzsche über Gandhi, Rudolf Steiner, Brecht, Christian Morgenstern und Platon, von den Römern und den ersten Christen bis zur Industrialisierung, dem Nationalsozialismus und zurück in die Gegenwart: Vagedes nimmt den Leser mit auf eine Reise quer durch alle Kulturen und Zeiten und zeigt, dass es keinesfalls normal sein sollte, Fleisch und tierische Produkte zu verzehren, sondern dass es vielmehr das Schlechte und Böse auf der Welt fördere. Hierfür zieht er unter anderem Arnold Toynbee heran, für ihn der wichtigste Historiker des vergangenen Jahrhunderts. Vagedes schreibt, Toynbee habe einen Schlüssel entdeckt, dessen Verwendung über die weitere Entwicklung unserer Welt entscheidet: die Liebe. Ihr gegenüber steht der Kampf – und genau das, Liebe und Kampf, greift Vagedes in „veg up“ immer wieder auf: „anstatt zu lieben, kämpfen wir schon allein dadurch, dass wir uns weigern, über das hinauszudenken, was uns bereits bewusst ist.“

Sind Fleischesser schlechte Menschen?

Kafka-Effekt nennt Vagedes es, wenn Menschen nur ihre eigenen Interessen verfolgen, keine Bereitschaft haben, über ihren Tellerrand zu schauen. Ihr emotionaler Panzer sei noch nicht geknackt, ihnen fehle eben der Kafka-Effekt, der Moment, als der Schriftsteller sein Mitgefühl für die Fische im Berliner Aquarium entdeckt: „Nun kann ich euch in Frieden betrachten; ich esse euch nicht mehr“. Warum manche Menschen es nicht schaffen, ihren eigenen emotionalen Panzer zu knacken, diese Frage stellt Vagedes immer wieder. Die Antwort liest sich oft so, dass Fleischesser die schlechteren Menschen sind, ohne Mitgefühl und voll emotionaler Probleme. Das lässt sich, meiner Meinung nach, aber schwer verallgemeinern; zudem möchte ich zum Beispiel meine Mutter, nur weil sie Fleisch ist, nicht als schlechten Menschen ansehen. Ebenso wenig würde ich sagen dass alle Veganer gute Menschen sind.

Nicht nur Veganer sollten es lesen

„veg up“ ist kein einfach zu lesendes Buch, kein Roman, der sich in wenigen Stunden durchblättern lässt. Vielmehr ist es aufgrund der vielen Zitate, der Verknüpfung von Quellen und Gedanken oft anstrengend zu lesen, doch wer sich wirklich mit der Geschichte, den Konsequenzen und der Notwendigkeit des Veganismus beschäftigen möchte, den wird „veg up“ nicht enttäuschen. Oft denkt man sich beim Lesen: Stimmt, da hat er Recht, deshalb sollte man vegan werden – wenn man es nicht sowieso schon ist, wie man es wohl bei einem Großteil der Leser vermuten kann. Denn mit dem erklärten Ziel, die Welt zu veganisieren, wird das Buch wohl nur von wenigen Fleischessern gekauft werden. Man will ja nicht belehrt werden. Das ist schade, wo doch gerade Fleischesser verstehen sollten, warum es heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist, tierische Produkte zu verzehren. Auch sie sollten mit Büchern wie „veg up“ angesprochen werden. Dafür finden Veganer mehr als genug Argumente für die nächste Diskussionsrunde beim Familienessen.

Es ist ein verschlungener Weg zum Veganismus

Klar, Bücher wie „Tiere essen“ oder „Anständig essen“ sind vielen überzeugten Veganern zu kurz gedacht, nicht konsequent genug. Fakt ist aber, dass sie von tausenden Menschen auf der ganzen Welt gelesen wurden. Viele Bekannte von mir denken jetzt über ihren Fleischkonsum nach oder haben ihn bereits eingestellt. Damit haben die beiden Bücher schon Einiges bei ihnen bewirken können. Jetzt, wo diese Menschen offen für für den Vegetarismus sind, können sie in einem zweiten Schritt weiterdenken und sich für den Veganismus entscheiden. Meiner Meinung nach ist es viel leichter, Menschen so zu erreichen, als Fleischesser von einem Tag auf den anderen Tag zu zwingen, vegan zu werden. Das klappt nur selten – auch ich war erst Vegetarierin, bevor ich mich entschloss, auf alle tierischen Produkte zu verzichten. Den Weg muss jeder für sich selbst finden dürfen – dass ihn aber so viele Menschen wie möglich finden, darauf hoffe ich sehr und dafür möchte ich mich einsetzen – auch wenn das bedeutet, dass meine Freunde erst mal „nur“ Vegetarier werden.

Das Leid nicht verlängern

Für mich klingt „veg up“ sehr missionarisch – und das soll es auch. „denn die aussage, es sei so angenehm, wenn man nicht missioniert würde, ist so seltsam wie propaganda gegen ‘gutmenschen’ und die ‘political correctness’, denn beide dieser pr-floskeln werden sowohl von regierenden wie von oppositionellen gerne benutzt, um menschenverachtende gedanken und taten schönzureden oder davon abzulenken. […] so gleichsam absurd ist der gedanke, dass jedes missionieren zugunsten der veganisierung der welt zu unterlassen sei […] wer allein schon angesichts der zusammenhänge zwischen hungerleidenden menschen und nichtveganem verhalten meint, es wäre besser die information seiner mitmenschen und die werbung um ein veganes verhalten zu unterlassen, verlängert unnötig das abstellbare leid.“

Veganismus gegen den Welthunger

Selbst wer kein Mitleid mit den Tieren hat, der wird seine Augen nicht vor dem Kapitel „welthunger“ verschließen können. „in wahrheit wäre für alle menschen genug essen vorhanden. der hunger existiert nur, weil eine minderheit von menschen, nämlich die sich nichtvegan ernährende mehrheit in den wohlstandsregionen der welt, sich das (un)recht herausnimmt, nichtvegane nahrung zu konsumieren. das verspeisen sämtlicher nichtveganer produkte erfordert den anbau von futtermitteln, der dem anbau von genügend nahrung für alle menschen den platz wegnimmt.“ Dies betrifft natürlich nicht nur Fleisch, wie Vagedes betont, sondern alle nichtveganen Lebensmittel wie Milch, Käse, Butter, Eier usw.: „die zeit ist reif, gleich die ganze wahrheit zu sagen: denn eier und milchprodukte aller art schlagen für die ungerechtigkeit unter den menschen ebenso zu buche wie fleisch.“

Konsequent vegan

Insgesamt 33 Kapitel hat „veg up“, die sich aufgrund ihrer Fülle an Informationen und Argumenten schwer zusammenfassen lassen. Fakt ist, dass Vagedes auf fast 300 Seiten seine Vision für eine bessere Zukunft auf Papier gebannt hat. „veg up“ ist ein Plädoyer für eine bessere Welt, in der Liebe, Mitgefühl und Gerechtigkeit regieren. Vagedes sieht im Veganismus den Schlüssel zu einer besseren Zukunft – für uns alle: „…deshalb heißt dieses Buch ‘veg up’, um den westen und die ganze welt aus dem geistig-kulturellen abdruck des menschlichen fehlverhaltens wachzurütteln. auf der grundlage der veganisierung kann die weltkultur durch diesen aufstieg zur humanität erblühen“.

Übrigens: Auch das Buch selbst ist natürlich konsequent tierproduktfrei produziert. Der verwendete Leim, das Material für den Einband und die Farben sind vegan.

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