Unsere Heizung fühlen wir. Sie macht uns warm – oder lässt uns frieren. Sie prägt unser Kälteempfinden: In seinem preisgekrönten Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ erzählt der Historiker Ewald Frie, wie noch vor wenigen Jahrzehnten nur einer oder zwei Räume (meist die Küche) im Winter geheizt werden konnten. Also nahmen seine Geschwister mit warmem Sand gefüllte Flaschen mit in ihre kalten Betten. Nicht umsonst führt dieses Buch seit Wochen die Bestenliste an. Auch der Soziologe Didier Eribon hat eindrücklich davon berichtet, wie in seiner französischen Armutskindheit der 1950er Jahre gefroren wurde.
Weil unsere Heizung so eng mit unserem Gefühlsleben und mit historischen Knappheits-Erfahrungen verbunden ist, eignet sie sich so gut, um Menschen Angst zu machen. Nachdem ihm die die letzte Merkel-Regierung die deutschen Gasspeicher verkauft hatte, hat Putin genau das versucht, in seinem brüchigen Reich wird bis heute die Legende von den frierenden Deutschen erzählt. Schon da hätten wir lernen können, dass Heizungen zwar meist in unserer unmittelbaren Nähe betrieben werden, unser wärmebedürftiger, empfindlicher individueller Körper über diese Apparate aber direkt mit einem europäischen und globalen Infrastruktursystem verbunden ist. Wir hängen buchstäblich mit Leib und Seele direkt an den Energieströmen und den Risiken der aktuellen Geopolitik.
Dass man diese globale Abhängigkeit vermindern, die Versorgungssicherheit erhöhen – und dabei auch noch dem Klima helfen kann, dem fossile Heizsysteme schaden – hat die Bundesregierung in den letzten Monaten zu erklären versucht. Einer über Wochen geführten populistischen Kampagne ist es trotzdem gelungen, die Verantwortlichkeiten umzudrehen. Dieselbe Bundesregierung, die uns gerade warm durch den letzten Winter gebracht hat, gefährdet demnach die Wärmeversorgung. Angebliche Vertreter „deutscher“ Eigeninteressen fordern die Beibehaltung der Abhängigkeit von den fossilen Diktatoren, allen voran dem russischen Kriegsherrn. Andere verteidigen tapfer die „Wahlfreiheit“ jedes Einzelnen im Heizungskeller: Wehe nur, wenn der Staat, also alle anderen, nicht für das nötige Gas sorgt. Darüber zu lachen wäre leicht, wenn nicht die deutsche Klimapolitik selbst ins Straucheln geraten wäre.
Die interessante Frage ist deshalb: Was hätte die Regierung anders machen können und – wichtiger – was kann sie künftig verbessern?
Ein paar Vermutungen nur: Das Heizungsgesetz wurde als Entwurf vorab veröffentlicht, ohne „kommunikative“ Begleitung und mit dem politischen Ziel, es auf diese Weise zu versenken. Auch deshalb war es leicht angreifbar. Wer vermutet hatte, die Kriegs- und Krisenstimmung im Lande könnte Motivation für eine zügige Wärmewende sein, wurde eines schlechteren belehrt. Die Krise war vergessen, schließlich hatte niemand im Winter gefroren. Weshalb also etwas ändern? Die Kommunikationsstrategie des Klimaministeriums hingegen beschränkte sich im Wesentlichen darauf, den (beträchtlichen) kommunikativen Fähigkeiten des Ministers selbst zu vertrauen.
Der Heizungsumbau ist ein Teilstück des größten Infrastrukturumbaus in der jüngeren Geschichte. Und er betrifft direkt die Interessen der Gebäudewirtschaft, nimmt Einfluss auf die größten finanziellen Werte in dieser Republik und trifft auf einige ihrer bestorganisierten Lobbyverbände. Es geht um Handwerker, um kommunale Unternehmen und um Energiehändler, die jahrzehntelang sehr gut verdient haben. Auch ohne die unangenehmen parteipolitischen Winkelzüge der Koalitionspartner und die Verwirrtheit der demokratischen Opposition braucht es politischen Mut, in diesem schwerfälligen Sektor etwas zu verändern. Während die Bevölkerung, wir alle, uns erst an den Gedanken gewöhnen müssen, dass jetzt etwas wirklich Neues begonnen hat.
Anstatt von Ferne zuzuschauen, wie sich die Windräder drehen, sollen wir als fühlende und forschende Beteiligte auf einem neuen technologischen Pfad mitgehen. Woher soll das Vertrauen kommen, dass es gut werden wird? Wärmeerzeugung ohne Verbrennung, Stromerzeugung ohne Dampfmaschine (ja, auch ein Atomkraftwerk ist eine Dampfmaschine), Fortbewegung ohne Benzin und Diesel? Es geht um die materielle Basis dieser Gesellschaft, ihre Kraftquellen und Lebenselixire – um das Lebensgefühl und die Lebenspraxis, in der wir aufgewachsen sind. Vieles von dem, was „normale Leute“ über die von ihnen genutzten Infrastrukturen wissen, wird hinfällig. Emotionale Heimaten gehen verloren. Die Menschen mit dem „Benzin im Blut“ machen das, auch wenn uns das auf die Nerven geht, immerhin noch hör- und sichtbar, wenn sie auf ihren Harley-Davidsons und in ihren Porsches der Vergangenheit die Ehre erweisen. Nur wird jetzt mit den fossilen Heizungen eine weitere Säule der alten Welt umgerissen. Der Abschied vom Steinkohlebergbau wurde im Ruhrgebiet über Jahrzehnte mit kulturellen Begleitprogrammen umfangreich gefeiert. Jetzt geht alles hopplahopp. Und wer es nicht versteht, gilt als gestrig.
Die Regierung traut sich, das klimapolitisch Richtige endlich zu tun. Sie traut auch der Gesellschaft endlich etwas zu, durchaus mit Recht. Nur: Was sie vorhat, teilt sie vor allem in Nachrichtensendungen mit. Sie setzt dabei extrem viel voraus – etwa, dass Bürgerinnen und Bürger sich vorstellen können, was es bedeutet, auf „fossile“ Energien zu verzichten. Ja, gewiss, man kann die meisten Antworten auf Energiefragen im Netz finden, wenn man weiß, was genau man fragen will und wo man suchen muss. Wenn man sich für die Themen interessiert und darauf vertraut, dass Wissenschaftler und Regierung ihre Arbeit tun, kann man auch merken, dass da kluge Leute am Werk sind und das Projekt nicht nur Kreativität freisetzt, sondern auch viele von den Besten ihrer Generation mobilisiert. In der Ampel-Koalition hat sich der Wirtschafts- und Klimaminister inzwischen auch durchgesetzt – die aktuellen Kompromisse und die Verschiebung von Fristen nach hinten ändern daran wenig. Für diese Wirkung sorgt schon der von der Bild-Zeitung erfundene Heizhammer: Wer heute noch eine Gasheizung einbaut, weiß, dass er mit den finanziellen Risiken selbst zu Recht kommen muss. Es spricht also viel dafür, dass der Schritt in die neue Heizungswelt technisch am Ende funktionieren wird.
Nur geht es eben um ein Jahrhundertereignis, um den Aufbau einer komplett neuen Energiebasis für einen Industriestaat des 21. Jahrhunderts, während wir uns zugleich von den erprobten fossilen Maschinen und Konzernen verabschieden müssen. Von diesem Umbau und seiner Notwendigkeit war viel die Rede – jetzt aber hat er die Häuser und Wohnungen erreicht, in denen unsere alltägliche Wärme entsteht. Näher geht es kaum. Die „Politik auf der Höhe der Zeit“ erreicht die Menschen in ihren Zimmern.
Aber spricht sie auch mit ihnen? Sorgt sie dafür, dass jede und jeder Einzelne einbezogen wird und sich angesprochen fühlt – gerade auch jene, die sich für Politik, Klima oder Heizungstechnik nicht interessieren – und die doch in den neuen Infrastrukturen werden leben müssen? Einstweilen scheint die Regierung die Information über ihre Zukunftspläne nicht als Bringschuld der Politik, sondern eher als eine Holschuld der Bürger:innen anzusehen. Oder sie hofft, dass „die Medien“ die Kommunikationsaufgabe schon übernehmen werden (das jedenfalls, so kann man nach den letzten Monaten feststellen, hat eher nicht geklappt). Gewiss, sie hat für diese Haltung ihre Gründe. Die Ministerien, auch das Klimaministerium und das Bundeskanzleramt arbeiten mit jenen Mitteln und Ressourcen weiter, die in den langen Jahren des klimapolitischen Nicht-Handelns zur Image-Produktion der jeweiligen Amtsträger ausreichen sollten. Dass sie ausreichen, um ein Vorhaben wie die Energiewende kommunikativ zu begleiten, darf bezweifelt werden.
Es geht schließlich nicht um Details, sondern um die Orientierung auf einem gemeinsamen Weg, den die Regierung mit ihren Bürger:innen gehen will. Wie plant sie die erneuerbare Energiewelt, was ist bereits erreicht, wie weit will sie 2030 und 2045 sein, was macht die erneuerbare Stromproduktion so zuverlässig, wie funktioniert das Back-up, was sind die Etappenziele in den Bereichen Mobilität und Wärme – ein Staat, der viele Milliarden in den technischen Umbau steckt, täte gut daran, ein paar Millionen aufzuwenden, um seine Vorhaben so gut als irgend möglich zu erklären. Also auch jene Bürger:innen anzusprechen, die sich bisher nicht mit solchen Fragen beschäftigen wollten. Es ginge darum, all die Daten und Entscheidungen, die bisher irgendwo verstreut zu finden sind, in aggregierter Form zusammenzufassen und sie digital wie analog buchstäblich zu den Menschen zu bringen. Helfen könnte es, das Gespräch vor Ort zu suchen, von Haus zu Haus, möglichst gemeinsam mit Ländern und Kommunen, über Parteigrenzen hinweg, konkret: die Beratungskapazitäten weiter auszubauen. Schließlich haben sich – trotz der Unterschiede bei den Ansichten über ihre Umsetzung – alle demokratischen Parteien auf die Pariser Klimaziele geeinigt. Und nein, diese Art von Kommunikation ist nicht Aufgabe der Medien (auch wenn diese natürlich wichtig sind). Was eine Regierung politisch plant und entscheidet, muss sie selbst mitteilen.
Denn einstweilen regiert der Zweifel. Auch Menschen, auf deren Alltagsklugheit man sich bisher verlassen konnte, weisen plötzlich besorgt darauf hin, dass die Sonne nachts nicht scheint und die Expert:innen das vielleicht nicht hinreichend bedacht haben. Auch, dass der Wind nicht immer weht. Während von der anderen Seite gefragt wird, wozu wir neue Erdgasinfrastrukturen brauchen, wenn doch der Abschied von den Fossilen ansteht. Bis weit in die eigenen Milieus der Koalition (ja, auch die der Grünen, obwohl sie dort tapfer geleugnet wird) herrscht eine tiefe Unsicherheit.
Politik zu machen heißt zu entscheiden, gewiss. Aber eine Politik des 21. Jahrhunderts zu erfinden, ohne Kommunikationsstrategien für das 21. Jahrhunderts zu entwickeln, bedeutet ein erhebliches Risiko: Richtige Entscheidungen können daran scheitern, dass eine Gesellschaft nicht versteht, was sie tut.
Sehr guter Artikel. Danke.
Ich gehöre ja zu den Leuten, denen das alles zu langsam geht, und hab seit gut 30 Jahren eine gewisse Ahnung von energetischem Bauen und Heizen. Und das führt mich gleich zum ersten Punkt:
– in der ganzen gesellschaftlichen Diskussion um die Heizungs-Umstellung fehlt mir der zentrale Gesichtspunkt, dass das Haus gedämmt sein muss, runter auf wenigstens 40 kWh /(m² * Jahr), besser auf 20. Es macht nicht viel Sinn, ein schlecht gedämmtes Haus modern zu heizen und dabei an Überforderungsgrenzen zu stoßen, entweder: zu teures Gas, viel zu teurer Wasserstoff oder, bei Wärmepumpen, viel zu viel Strom, da den eine regenerative Stromversorgung nicht herbringt.
Und als einer, dem Gemeinschaft und Gemeinwohl wichtig ist und vor Profit geht, komme ich auf den zweiten Punkt:
– ich vermisse Perspektiven für die anscheinend große Gruppe von Menschen im alten Eigenheim, die das Haus mühevoll aufgebaut haben, es noch halten können, aber nicht mehr grundsanieren können, die vor der Bank wegen ihrem Alter nicht mehr kreditwürdig sind und die zusehen müssen, wie der Marktwert des Hauses sinkt. Denen wird nun offengelegt, dass sie da in einer Fast-Ruine leben, aber keine Perspektive.
Eine Perspektive wäre, zu moderieren, dass sie sich zu mehreren zusammentun, in einen Teil der Häuser ziehen, den anderen Teil grundsanieren, also dämmen rundherum incl. Fenster und fossilfrei heizen, dann in den sanierten Teil der Häuser ziehen und – nun kommt es auf staatliche Kredite an – je nachdem, den anderen Teil verkaufen oder auch noch sanieren. Sonst kommen findige Leute mit viel Geld, sog. Investor*innen, und kaufen die Fast-Ruinen auf und erhöhen ihre Macht.
Besser die Häusle-Besitzer*innen werden unterstützt, dies als Gemeinschaft in die eigene Hand zu nehmen, zwar in die Schuld zu geraten (die staatlichen Kredite abzuzahlen), aber das Eigentum zu halten, zum gesellschaftlich Nötigen beizutragen (gedämmte fossilfreie Häuser) und zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen zu sein, die wirkmächtig ist. Nur: ohne Beratung, Moderation und (finanz-)rechtliche angepasste Rahmenbedingungen geht dies nicht.