vonErnst Volland 13.08.2006

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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In eine Zeitschrift setze ich unter Chiffre folgenden Text:

„Kater sucht Schmusekätzchen.“, in die andere: „Ich ficke gern.“

Nach zehn Tagen schließe ich die Aktion ab und mache mich an die

Auswertung. Auf die Anzeige „Schmusekätzchen“ haben sich vier

Frauen beworben, auf „Ich ficke gern“ erhalte ich hundertundzwölf

Antworten.

Zuerst lese ich die Antworten der Chiffre Anzeige

„Schmusekätzchen „ durch. Eine einzige

scheint interessant zu sein. Eine Ärztin, die in einem Krankenhaus

arbeitet, möchte weiteren Kontakt. Anschließend beginne ich den

Stapel der Anzeige „Ich ficke gern“

durchzulesen. Schon nach wenigen Briefen muss ich

eine Pause machen, trinke einen Kaffee und schalte den

Fernseher ein, um mich etwas abzulenken. Danach gehe ich

wieder an den Schreibtisch und sehe weiter

jeden einzelnen Brief durch. Es haben nicht nur Frauen geschrieben,

auch fünfunddreißig Männer. Bei einigen liegen Fotos bei, Köpfe aus

Fotoautomaten, schwarz/weiß und in Farbe, andere zeigen sich

in ihrem häuslichen Ambiente, auf dem Sofa, oder im Garten, meist

lächelnd. Zwei Frauen winken aus einem Bett. Eine

Frau, nackt und gebückt, präsentiert die Rundungen ihres

schönen Hintern. Auf fünf verschiedenen Fotos liegen

Frauen in unterschiedlicher Umgebung, mal im Gras, auf

dem Fußboden eines Zimmers, im Sessel und zeigen

demonstrativ auf ihre behaarte Scham. Eine Frau hat

neben ihr Foto „Leck mich“ geschrieben.

In der Kategorie der Männer taucht überwiegend der Wunsch

nach gemeinsamen schönen Stunden mit „ausgefülltem“

oder „häufigen“ Geschlechtsverkehr auf. Hier liegen nur

wenige Portraits bei, ein sonnengebräuntes, wie aus einem

Modemagazin.

Sieben Männer zeigen Abbildungen, die sich ausschließlich auf

ihre Geschlechtsteile konzentireiren, falls es ihre eigenen sind. Drei

befinden sich in erigiertem Zustand. Bei zwei

weiteren sind verschiedene Piercing Metallteile an der oberen

Penishaut angebracht, meiste Ringe, kurz vor der Eichel. Ein Foto zeigt

ein kleines Vorhängeschloss, auf dem schmalen Umfeld

des Geschlechtsteils sind Tätowierungen zu erkennen.

Diese Fotos sind nur mit kurzen Kommentaren

begleitet, handschriftlich und oft mit orthografischen

Fehlern. „Komme her du Süser“, „Lek meinen RiesenSchwanz,

saug ihn aus“ oder „Alles deins“.

Ich beantworte keinen Brief.

Nach einer Woche nehme ich Kontakt mit einer

Frau aus der Anzeige „Schmusekätzchen „ auf.

Es ist der einzige Kontakt, den ich mache und wir treffen uns

nach Absprache „Ich habe eine Frankfurter Rundschau

auf dem Tisch oder in der Hand“ in einem italienischen Restaurant.

Wir finden uns und bestellen, sie Spaghetti pommodoro, ich

a la Olio, damit sie gleich sehen kann, dass ich nichts

gegen Knoblauch habe. Ich frage, warum sie auf diese meine

Anzeige reagiert habe und sie antwortet, sie habe zwei

Katzen. Ihre Arbeit im Krankenhaus als Anästhesistin

langweile sie und sie verreise gern.

In einer Schweigepause, nach etwas einer halben Stunde

unseres Treffens, erwähne ich momentane Geldschwierigkeiten

und ob sie mir nicht mit fünftausend

Euro vorrübergehend aushelfen könne.

Sie schaut mich an und sagt.

„Natürlich, heute ist Sonntag, morgen gehe ich

zur Bank und hole das Geld ab.“

Ich bin erstaunt, hatte ich doch aus einer Laune gefragt,

einfach so, um zu testen, wie weit man in kurzer Zeit gehen kann.

Diese spontane Großzügigkeit machte mich stutzig.

„ Sie haben unter hundert von Kleinanzeigen eine herausgegriffen

„Kater sucht Schmusekätzchen“, die hat ihnen

gefallen, OK. Jetzt treffen Sie sich mit

einem Menschen, von dem Sie nur den Vornamen kennen,

sonst nichts, nicht wo er wohnt, wie er heißt, und ob er wirklich

so heißt und, der seit einer halben Stunde mit ihnen zusammen

Spaghetti isst und dem wollen Sie gleich fünftausend Euro leihen?“

„Ja aber ich habe die Fünftausend aber wirklich auf

meinem Konto.“

„Ich würde gerne zahlen, alles zusammen bitte. „

Mit der linken Hand schob meinen Stuhl einen halben Meter zurück.

„Die Euros lassen Sie bitte auf Ihrem Konto. Ich habe noch einen wichtigen

Termin. Auf Wiedersehen.“

Anzeige

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