vonErnst Volland 31.08.2006

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Die Kartoffel                                                                               

 

 

 

An einem schönen Ostersonntag fuhren wir aus Berlin

hinaus in ein Landgasthaus. Der Weg dorthin führt über die südliche

Autobahn und die Fahrt ist nicht weit. Kulinarische

Genüsse rund um die Hauptstadt sind mit der Stecknadel zu suchen,

oft schon wurde man enttäuscht. Im angesteuerten Restaurant

„Zur Eiche“ war die Bedienung meistens freundlich, das Essen

nicht Sterne verdächtig, doch passabel und vor allem kontinuierlich

gut. Wir hatten nichts reserviert, was ein Fehler war, denn an diesem

sonnigen Frühlingsostersonntag wollten auch andere nicht

zu Hause bleiben. Bald bekamen wir einen Tisch in der Nähe

der Theke und leider auch in der Nähe der Eingangstür

zugewiesen, den wir akzeptierten.

Wir wurden begleitet von einem nicht mehr ganz jungen Ehepaar,

das gerade geheiratet hatte.

Das Paar spielte mit dem Gedanken, im Speckgürtel von Berlin

ein Lokal zu eröffnen mit badischer Küche. Wir ließen uns

neben der Speisekarte auch noch die Weinkarte geben,

der zukünftige badische Wirt hatte mich schon oft mit

einer guten Weinauswahl in einem Restaurant überzeugt.

Er bestellte diesmal einen Barolo, der sich immer in

der obersten Preiskategorie befindet, hier aber nach

allgemeinem Nicken  der Tischrunde als sehr preisgünstig

anzusehen war, dennoch der teuerste überhaupt auf der

schmalen Weinkarte aber auch wiederum nicht so teuer,

dass man sich schämen musste.

„Du weißt ja, immer den Wein aus der Region trinken, aber hier

in Berlin gibt es keinen Wein. Dann hat man die freie Auswahl.“

Wir bestellten und warteten auf die Vorspeise.

Inzwischen kam der Wirt der Eiche an unseren Tisch und wünschte

einen schönen Tag. Er wollte sicherlich wissen, was  für Gäste

er in seinen Räumen hat, die ein für diese Gegend sehr teuren Wein

bestellen.

Ich blickte mich um und bemerkte an der Wand,  einen

Bilderrahmen, in dem eine handgeschriebene Urkunde steckte.

Dort stand die Bestätigung eines Wettkampfs und der Name

des Siegers. Es war die Urkunde für den ersten Preis im

„Brandenburgischen Wettbewerb für das Kartoffelschnellschälen“.

Als der Wirt ein zweites Mal um unseren Tisch schlich und

fragte, ob alles zum Besten wäre, was wir bestätigten,

ergriff ich die Gelegenheit und erkundigte mich nach der

Urkunde an der Wand mit der Bemerkung, das sei sicherlich

ein Aprilscherz.

„Einen Moment, nur einen Augenblick“ und er verschwand.

Der Barolo schmeckte ausgezeichnet. Er war zehn Jahre alt.

Eine Minute später stand ein fast zwei Meter großer Mann vor

unserem Tisch  und sagte

„Hallo.“

Sein tiefschwarzer Körper steckte in weißen Hosen, einem

weißen T-shirt . Um die Hüften hatte er sich eine weiße Schürze gebunden.

Ohne auf eine Antwort zu warten, dreht er den Oberkörper leicht

zur Seite und holte ein silberverchromt blitzendes Kartoffelschälmesser

aus der Gesäßtasche seiner Hose.

„Das ist Werkzeug.“ Dabei grinste er und zeigte seine weißen Zähne.

Jeder am Tisch erwartete jetzt eine Demonstration seines Könnens,

und als ob er diese Aufforderung geahnt hätte sagte er.

„Heute vile vile zu tun, Ostern, zurück Küche. Keine Zeit. Ich bin

jetzt auch Deutsche Meister und ich habe in zwei Minute drei Kilo

geschafft. War beste. Komme aus Kamerun und vorbereite auf europäische

Meisterschaft.“

Er hielt sein Kartoffelmesser in die Höhe, drehte es ein wenig in der

Hand in Richtung Fenster mit einer ähnlichen Bewegung

eines Weinkenners, der sein  Glas nahe an eine Kerze hält

um ein Qualitätsmerkmal zu prüfen und steckt es wieder dorthin,

woher er es genommen hatte.

„Vile Vile Gäste heute, vile schälen“

Dann verschwand er schnell in der Küche.

Der Wirt kam vorbei und fragte, ob er eine zweite Flasche Wein

öffnen könne.

 

 

 

 

 

 

 

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