Die Kartoffel
An einem schönen Ostersonntag fuhren wir aus Berlin
hinaus in ein Landgasthaus. Der Weg dorthin führt über die südliche
Autobahn und die Fahrt ist nicht weit. Kulinarische
Genüsse rund um die Hauptstadt sind mit der Stecknadel zu suchen,
oft schon wurde man enttäuscht. Im angesteuerten Restaurant
„Zur Eiche“ war die Bedienung meistens freundlich, das Essen
nicht Sterne verdächtig, doch passabel und vor allem kontinuierlich
gut. Wir hatten nichts reserviert, was ein Fehler war, denn an diesem
sonnigen Frühlingsostersonntag wollten auch andere nicht
zu Hause bleiben. Bald bekamen wir einen Tisch in der Nähe
der Theke und leider auch in der Nähe der Eingangstür
zugewiesen, den wir akzeptierten.
Wir wurden begleitet von einem nicht mehr ganz jungen Ehepaar,
das gerade geheiratet hatte.
Das Paar spielte mit dem Gedanken, im Speckgürtel von Berlin
ein Lokal zu eröffnen mit badischer Küche. Wir ließen uns
neben der Speisekarte auch noch die Weinkarte geben,
der zukünftige badische Wirt hatte mich schon oft mit
einer guten Weinauswahl in einem Restaurant überzeugt.
Er bestellte diesmal einen Barolo, der sich immer in
der obersten Preiskategorie befindet, hier aber nach
allgemeinem Nicken der Tischrunde als sehr preisgünstig
anzusehen war, dennoch der teuerste überhaupt auf der
schmalen Weinkarte aber auch wiederum nicht so teuer,
dass man sich schämen musste.
„Du weißt ja, immer den Wein aus der Region trinken, aber hier
in Berlin gibt es keinen Wein. Dann hat man die freie Auswahl.“
Wir bestellten und warteten auf die Vorspeise.
Inzwischen kam der Wirt der Eiche an unseren Tisch und wünschte
einen schönen Tag. Er wollte sicherlich wissen, was für Gäste
er in seinen Räumen hat, die ein für diese Gegend sehr teuren Wein
bestellen.
Ich blickte mich um und bemerkte an der Wand, einen
Bilderrahmen, in dem eine handgeschriebene Urkunde steckte.
Dort stand die Bestätigung eines Wettkampfs und der Name
des Siegers. Es war die Urkunde für den ersten Preis im
„Brandenburgischen Wettbewerb für das Kartoffelschnellschälen“.
Als der Wirt ein zweites Mal um unseren Tisch schlich und
fragte, ob alles zum Besten wäre, was wir bestätigten,
ergriff ich die Gelegenheit und erkundigte mich nach der
Urkunde an der Wand mit der Bemerkung, das sei sicherlich
ein Aprilscherz.
„Einen Moment, nur einen Augenblick“ und er verschwand.
Der Barolo schmeckte ausgezeichnet. Er war zehn Jahre alt.
Eine Minute später stand ein fast zwei Meter großer Mann vor
unserem Tisch und sagte
„Hallo.“
Sein tiefschwarzer Körper steckte in weißen Hosen, einem
weißen T-shirt . Um die Hüften hatte er sich eine weiße Schürze gebunden.
Ohne auf eine Antwort zu warten, dreht er den Oberkörper leicht
zur Seite und holte ein silberverchromt blitzendes Kartoffelschälmesser
aus der Gesäßtasche seiner Hose.
„Das ist Werkzeug.“ Dabei grinste er und zeigte seine weißen Zähne.
Jeder am Tisch erwartete jetzt eine Demonstration seines Könnens,
und als ob er diese Aufforderung geahnt hätte sagte er.
„Heute vile vile zu tun, Ostern, zurück Küche. Keine Zeit. Ich bin
jetzt auch Deutsche Meister und ich habe in zwei Minute drei Kilo
geschafft. War beste. Komme aus Kamerun und vorbereite auf europäische
Meisterschaft.“
Er hielt sein Kartoffelmesser in die Höhe, drehte es ein wenig in der
Hand in Richtung Fenster mit einer ähnlichen Bewegung
eines Weinkenners, der sein Glas nahe an eine Kerze hält
um ein Qualitätsmerkmal zu prüfen und steckt es wieder dorthin,
woher er es genommen hatte.
„Vile Vile Gäste heute, vile schälen“
Dann verschwand er schnell in der Küche.
Der Wirt kam vorbei und fragte, ob er eine zweite Flasche Wein
öffnen könne.