Das Datum in der Kunst
Eine der interessantesten Radiosendungen kann man im
Deutschlandradio jeden Sonntag von 13.30-15.00 Uhr hören.
Gern wäre ich einmal Gast dieser Sendung.
In der Sendung unterhalten sich ein sehr gut informierter
Journalist mit einem mehr oder wenig prominenten Gast.
Das Gespräch wird unterbrochen durch Musikstücke, die
sich der Gast vorher aussucht und die in der Sendung
gespielt wird.
Der zweite Teil des Programms, meine Lieblingsmusik
auszuwählen, reizt mich sehr. Oben auf der Liste:
John Lee Hooker.
Die Sendung ist deshalb interessant, weil die Redakteure
oft Personen vorstellen, die wirklich etwas zu sagen haben
und nicht unter die A- Prominenz Kategorie fallen, wie die
etwa 150 Prominenten, die in unserer Mediengesellschaft
durchgereicht werden.
Nicht immer sind die 90 Minuten anregend, jedoch ist die
Trefferquote sehr groß bei den B, C, D, und F- Prominenten:
Ein Physiker, der in den Sternenhimmel blickt und alles
erklären kann, ein Schriftsteller, von dem man schon einmal
ein gutes Buch gelesen hat und sich fragt, warum er nicht
bekannter ist oder eine Kulturpolitikerin, die hinter die
Kulissen schaut und Ross und Reiter nennt.
Heute hören wir einen Dialog mit einem ehemaligen
Museumsdirektor aus Frankfurt, der in Pension gegangen ist
und frisch von der Leber weg erzählt. Sein Spezialgebiet ist die
zeitgenössische Kunst, er leitete das Museum und war und ist immer
noch als Kurator mit großem Einfluss tätig. Manchmal sieht man
ihn auch in einer Kunstsendung, in der vier Experten vor kleinem
Publikum in einem Museum über aktuelle Ausstellungen sprechen.
Es wird eine Sendung mit absolut niedriger Einschaltquote sein,
da die Sprechenden Termini gebrauchen, die so spezifisch
sind, dass man sich wundert, dass die Personen, die den Ausführungen
lauschen, nicht auf ihren Stühlen vor Langeweile zusammensacken
oder sich schlafen legen. Umso putsmunterer diskutieren und gestikulieren
die Kunstexperten. Motto: Eine Sendung gesehen, alle gesehen.
Zu Beginn der Radiosendung breitet der rüstige Rentner
seine Vita aus und wir erfahren, er wollte selbst einmal Künstler sein,
hatte aber keinen Erfolg. Am Faden seines Lebens führt die
Sendung weiter und biographisch entsprechend fügt der
Redakteur die ausgewählte Musik ein, beginnend mit den
Beatles, John Lennon, Imagine.
Es ist müßig, der kompletten Laufbahn bis hin zur Spitzenposition
eines Museumsdirektor zu lauschen, die Schuhe müssen noch
geputzt werden, ein Telefonat geführt und ein Brief gelesen werden.
Aber plötzlich bleibt alles liegen und es ist Ruhe. Der Redakteur drängt
den Direktor in eine Ecke, in die er nicht hinein will:
„Es ist doch heute sehr schwierig zu erklären, was denn nun
Kunst sei, wenn man sich die heutige Szene anschaue und in seinem Museum
hängen so viele Bilder, also, die kann ein Laie nicht erklären, da hängen
zum Beispiel Bilder, auf denen sind nur Zahlen gemalt, ob er nicht einmal…“
Der Direktor weicht der Frage aus, bemerkt aber, dass er auf diese
später zurückkommen werde.
Geschickt insistiert der Redakteur mehrmals und, da! Plötzlich, Bereitschaft.
Der Direktor beginnt mit der Deutung eines Bildes.
„Gut, dass Sie auf die Bilder mit den Zahlen zu sprechen kommen, die
Zahlen sind immer ein Datum. Da kann ich Ihnen eine interessante
Geschichte erzählen.“
„Ja bitte, wir hören gern zu.“
„Wissen Sie, ich hatte einmal einen sehr berühmten Gast in meinem Museum,
der hatte aber nur ein halbe Stunde Zeit. Was habe ich gemacht, ich habe
ihn direkt zu einem der Zahlenbilder gedrängt, sie wissen ja, es ist immer ein
Datum, seit dreißig Jahren malt der Künstler immer nur das jeweilige
Datum auf die Leinwand. Ich finde das großartig und habe für
das Museum mehrere Arbeiten gekauft.“
„Wer war denn der berühmte Gast?“
„Das war Henry Kissinger und den habe ich schnurstraks zu einem
der Bilder mit einem Datum geführt, und wissen sie, was
Henry Kissinger gesagt hat?“
„Nein.“
„Das kann ich auch.“
„Was haben Sie ihm geantwortet?“
„Dann habe ich in den verbleibenden zwanzig Minuten
erklärt, warum das ein gutes Bild ist.“
„Können Sie uns das auch erklären?“
„Natürlich.“
„Bitte, Sie haben alle Zeit, die Sie brauchen.“
„Es ist ja so, wir haben es hier mit einem japanischen
Künstler zu tun und für die Japaner hat das Datum eine
ganz andere Bedeutung als für uns. In der japanischen Kultur spielt
das Datum, also die Zeit eine viel größere Rolle als bei uns. Das muss man
wissen, wenn man dieses Bild betrachtet, da spielt der Buddhismus mit
rein, da spielt die ganze Geschichte Japans mit rein, die Historie dieses
für uns so fremden Landes. Die Sonne, die frühzeitig aufgeht, bedenken
Sie, die Sonne geht im Osten, in Japan auf, das
hat alles mit dem Datum zu tun und sie geht im Westen unter und
kommt wieder neu im Osten und der Künstler malt ein neues Datum.
Bedenken Sie, wie viele Menschen im asiatischen Raum leben, das hat
doch ganz andere Dimensionen als bei uns. Die japanische
Philosophie, haben Sie sich schon einmal damit beschäftigt?
Die Zeit hat dort eine viel größere Bedeutung als der Raum.
Der Raum hat bei uns eine große Bedeutung. Das ist alles in dem
gemalten Datum drin.“
„Sollen wir jetzt vielleicht eine Musik spielen?“
Ja, machen wir.“
„ Danach können Sie ja weiter über das Bild mit dem gemalten Datum
sprechen. Was legen wir auf, Milva?“
„Ja, Milva, eines Tages kam Milva in mein Museum…..“
„Wir spielen jetzt erst mal die Musik.“
Sehr zum Schmunzeln, ich musste es gleich zweimal lesen. Über http://www.artlout.de kam ich auf diese Seite. Bitte mehr davon.