vonErnst Volland 26.09.2022

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Kapitel 3

 

Mit einer lässigen Handbewegung werfe ich bei den Gedanken an eine gute Flasche Wein das Handtuch neben die Waschmaschine, die ich mir second handkaufen musste, sie hatte ihre beim Auszug mitgenommen. Ich hasste es mit einem Sack schmutziger Wäsche in den neonerleuchteten Waschsalon zu marschieren, meine Wäsche in eine der großen zu Trommeln drücken, mich davor zu setzen und zu warten.

Mit kleinen Schritten husche ich zum Schrank, um ein frisches Handtuch heraus zu nehmen.

Drei alte zusammengefaltete Badetücher schauen mich aus dem fast leeren Schrank an.

Die brauchbaren Sachen des gemeinsamen Haushalts hatte sie auch alle mitgenommen, darunter die schönen, großen und bunten Badetücher, die wir gemeinsam in Frankreich gekauft hatten. Ganz deutlich kann ich mich an diese Szene erinnern, allerdings auch daran, dass sie es war, die diese Badetücher entdeckt und außerhalb der gemeinsamen Kasse günstig erworben hatte, wie auch den Jugendstil-Spiegel, den Kühlschrank, das Doppelbett, die komplette Bettwäsche, ja, eigentlich war die ganze Einrichtung von ihr.

Vor einem Jahr zogen wir zusammen. Sämtliche Möbel meiner kleinen Wohnung inklusive Küchenausstattung landeten auf dem Sperrmüll. Sie hatte ihre komplette Wohnungseinrichtung mitgebracht und jetzt muss ich wieder Stück für Stück neu anschaffen.

Seit sechs Wochen ist sie weg und meidet jeden Kontakt. Ich versuche mit allen Tricks in ihre Nähe zu kommen, hatte auch nach kurzer Zeit ihre neue Adresse herausgefunden, konnte sie jedoch trotz massiven Zeitaufwands nie persönlich sprechen. In meiner grenzenlosen Sehnsucht schlich ich stundenlang wie ein Detektiv vor ihrer Haustür herum, schickte mit Fleurop Blumen. Hundert rote Rosen, die ein tiefes Loch in meine Haushaltskasse rissen. Was aber in diesem Zusammenhang für mich keine Rolle spielte. Denn, ich hatte mir, so sicher wie das Amen in der Kirche, in den Kopf gesetzt, sie musste zurück kommen.

Mit einem Bein schlüpfe ich in meine Hose, ziehe das andere nach, greife ein frisches, selbst gebügeltes Hemd von einem Kleiderhaken, der am Fensterkreuz hängt, stöhne lange, jetzt alles selbst machen zu müssen. So setze ich mich an meinen Apple, um einen Brief an sie zu schreiben, diesen in einen Umschlag zu stecken, zu frankieren und persönlich in den Briefkasten zu werfen. Emails kommen nicht in Frage, weil durch das Verschicken eines Briefes meinen Wunsch, sie zurück zu bekommen, stärkere Bedeutung verleihen kann.

Emails sind eine wunderbare Erfindung, davon bin ich überzeugt, aber ich würde nie eine Kündigung oder andere wichtige Dokumente mit einer Email verschicken. Wie viele dieser kunstvollen Elaborate, an denen ich sorgfältig und stundenlang feilte, in den Wochen schon von mir geschrieben worden sind, weiß ich gar nicht und es ist mir auch gleichgültig. An sie zu schreiben, ist wie eine Katharsis. So wie auch das Sprechen mit Freunden und Bekannten über ihren Weggang eine beruhigende Wirkung auf mich ausübt, und ich nie genug davon bekommen kann. Ich spreche und spreche und spreche, so dass sich einige schon von mir abgewandt haben und, auch das ist mir aufgefallen, einige mich sogar meiden.

In den letzten Tagen habe ich begonnen, jede Gelegenheit zu nutzen, um mit irgend jemanden zu sprechen, dem ich zufällig in einem Lokal begegnete, eine Zuwendung, die ich früher nie zugelassen hätte, die aber auf Grund der Trennung wie zwanghaft von mir Besitz ergreift.

Ich muss einfach von meinem Schicksal reden, alles verbal los werden, wenigstens mit Worten eine Linderung meiner Gefühlsschmerzen erreichen. Mit einem Brief gelingt es mir in ähnlicher Weise ruhiger zu werden, ohne jedes gesprochene Wort, nur mit Schreiben, denn ich sehe mich beim Schreiben in einem Dialog mit ihr, imaginiere ihre Präsenz, denke, sie steht im Raum und hört mir zu.

Liebe Carol.

Ich denke jede Minute an dich und die gemeinsam verbrachte Zeit, die so schön war. Erinnerst du dich, wie wir in Italien, in Florenz, in diesem kleinen Cafe saßen, Roma hieß es, glaube ich, nein Napoli, und du meine Hand in deine legtest, dabei ein leichter Wind durch deine blonden Haare wehte, und du mir sagtest, ich liebe dich, ich liebe dich wirklich.

Kannst du dich noch daran erinnern, an den Chianti Classico, Jahrgang ’71, dein Geburtsjahr, blutrot in der Farbe und, da bin ich ganz sicher, mit leichter Himbeere im Abgang.

Du hattest die leere Flasche noch ins Hotel mitgenommen, dann sogar mit nach Hause und dort eine blaue Kerze hinein gesteckt, die immer auf deinem Fensterbrett stand. Wie schön wäre es, jetzt im Schein dieser Kerze mit dir zusammen zu sitzen und ein kleines Glas Trollinger zu trinken, vom letzten Jahr vielleicht, also fast ein Primeur. Ich habe übrigens einen wunderbaren Weißwein entdeckt, preisgünstig, für einen Müller- Thurgau ganz erstaunlich. Wenn du Lust hast, dann ruf mich doch einfach an, und wir trinken ein Gläschen zusammen. In Liebe, dein dich immer liebender Roman.“

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