vonErnst Volland 16.08.2022

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Lustlos schleiche ich unter die Dusche, trockne mich mit einem Handtuch ab, dessen strenger Geruch mir sofort wieder klar macht, dass sie nicht mehr in der Wohnung ist, nicht mehr meine Hemden bügelt und vor allem, nicht mehr die wunderbare Pasta kocht, mit der sie mich am Abend mindestens zwei Mal in der Woche überraschte. Weiße Stoff Servierten steckten in silbernen Ringen. Drei Kerzen illuminierten das einfache Mahl. Frisch geriebener Parmesan lag auf einem Brettchen, das Hobelgerät daneben zum Nachreiben und ein kurzer Zweig Petersilie schmückte den Rand eines jeden Tellers.

Im Hintergrund legte sie oft eine klassische CD auf. Meist war es Brahms, für den sie einen Faible hatte, alles über ihn wusste, diese Kenntnisse jedoch nicht an anderer Stelle verwerten konnte. Für mich ist Brahms echter Hintergrund, ich bevorzuge Bossa Nova und Samba, alles Lateinamerikanische, ebenfalls Tango. Ich konnte sie sogar überzeugen, einen vierteljährlichen Tanzkurs zu belegen, zwei Stunden in der Woche, den sie ohne Murren absolvierte, ich hatte mehr Enthusiasmus erwartet. Im Gegenzug schleppte sie mich in ein Brahms -Konzert. Wir lauschten zwei Ouvertüren, der Tragischen Ouvertüre d-Moll op. 81 und der Akademischen Festouvertüre, c- Moll,op. 80. Ich erinnere mich so genau an die Titel der Musikwerke, weil sie mir einige Tage später beide Ouvertüren auf einer CD schenkte, und mich animierte, sie sofort noch einmal gemeinsam anzuhören.

Im Konzerthaus konnte ich mich nur mit großer Mühe dagegen wehren, den Vortrag mit leisen Schnarchtönen zu begleiten, auch weil sie mir schon nach dem ersten wahrnehmbaren Röcheln ihren Ellenbogen in die Seite stieß. Beim dritten Stoß versprach sie mir zischend, mich nie wieder mitzunehmen. Am nächsten Tag kaufte ich ihr eine kleine florale Überraschung. Eine Aktion, die todsicher eine latente Missstimmung in ein freundliches Lächeln umwandeln konnte.

Beim Gedanken an diese vertraute, in warmes Zimmerlicht getauchte Atmosphäre eines gemeinsamen Spagetti-Essens, erreicht mein Trennungsschmerz einen Höhepunkt. Wieder würge ich mit neuen Tränen, die ich kaum unterdrücken konnte, beschämt von solchen eigenartigen Gefühlen, die ich eher weiblichen Verlassenen zuordne, als mir.

Wann bist du bei mir, mein Gold?,“ hatte sie ins Telefon geflüstert, „ Ich habe gerade Lust bekommen, eine Tagliatelle zu kochen, vielleicht bringst du etwas Wein mit?“

Ja, kochen konnte sie. „Liebe geht durch den Magen“ traf für uns beide von Anfang an zu, was auch die Entwicklung unserer Beziehung in den ersten Tagen beschleunigte. Richtig in Fahrt kam sie allerdings mit einem weiteren Treibsatz. Ich zögerte anfangs, sie trickreich ins Bett zu locken, mit ihr sollte es keinen One-Night- Stand geben, das spürte ich intuitiv. Es dauerte zehn Tage, bis wir die erste Bettkante erreichten. Dann zeichnete sich am weiten Horizont in meinem Hinterkopf ab, dass ich ihretwegen die Scheidung einreichen werde und mich von Kind und Gattin trenne.

Sie konnte besser kochen als ich, vom Wein verstand ich mehr, was ich durch meist leicht ironisierende Redewendungen aus dem Weinkenner Jargon durchblicken lies:

Meinst du nicht auch, dass dieser Wein eine kräftige Note hat und Brombeere im Abgang. Etwas Vanille und Wildkirsche ist auch dabei. Ich hätte auch sagen

können, schmeckt wie Eisenbahnwaggon zwischen Stuttgart und Heilbronn am 27. Mai 2007 oder wie die Gitarre von Jimmy Hendrix im Mondschein,“ es käme auf das Gleiche raus, denn mir ist klar, eigentlich bin ich kein echter Weinkenner, und ich bin auch noch keinem echten und eindeutigen Kenner von Weiß- oder Rotweinen begegnet. Jeder quasselt während einer Weinprobe einfach so drauf los, und niemand widerspricht, wenn jemand behauptet, er sei der absolute Kenner. Im Gegenteil, verbale Aufladungen des edlen Tropfen werden oft ehrfurchtsvoll akzeptiert und beim nächsten Weintreffen an einem anderen Ort schlichtweg weiter erzählt. Ich bin solchen selbst ernannten Kennern gegenüber äußerst skeptisch und habe nur Anerkennung für Menschen, die in einem Weinberg groß geworden und darüber hinaus Weinbauern sind. Nur sie können nach meiner Vorstellung einen Wein beurteilen. Meine Devise heißt hierbei, Learning by doing. Ich saß schon mit Leuten an einem Tisch, die felsenfest behaupteten, Weine unterscheiden zu können, die nur drei Kilometer voneinander entfernt angebaut worden sind und unterschiedliche Lagen haben, inklusive Jahrgang und Traubensorte natürlich. Das alles bei einer Blindverkostung. Reine Fiktion in meinen Ohren. Denn, ad hoc musste keiner am Tisch beweisen, was er so daher plapperte. Ich hätte gern dagegen gehalten, dass ich schon einmal mit zwei Frauen gleichzeitig im Bett gewesen bin, was auch stimmte- Allerdings war das schon lange her, auf einer Hütte in den Bergen, in einem von zwei Zimmern, mit je nur einem Bett. Ein Zimmer war schon vergeben, es war schon spät, zurück ins Tal konnten wir nicht mehr gehen, also entschieden wir uns, zu dritt ein Bett zu teilen und legten uns angezogen auf die Matratze.

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