vonErnst Volland 25.04.2023

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Die Vernissage war gut besucht, man könnte von einem gelungenen Event sprechen. Neben den üblichen Galeriebesuchern, die keine Eröffnung auslassen, und sich in kleinen Kreisen in der Nähe des Weinausschankes aufhalten, lockte die Eröffnung einige kulturelle Schwergewichte an, Museumsdirektoren, Kunstamtsleiter, auch einige Unternehmer aus der Baubranche, die gelegentlich ein Bild auf Wunsch ihrer Gattin kaufen. Mantem konnte mit dem bisherigen Verlauf der Ausstellung eigentlich sehr zufrieden sein.

Auf meinem Stuhl sitzend erzähle ich Mantem, dass ich die Tür abschließen musste, weil mir unerklärlicher Weise plötzlich übel wurde, was er gut verstehen kann, und mir ein Glas Leitungswasser holt. Er geht zur Toilette, bleibt stehen, da er den Abgang des Bildes mit den sieben Streifen zu bemerken scheint, setzt seinen Gang fort, kommt mit dem Glas aus der Toilette zurück, unterbricht wieder seinen Gang und drückt mir das Glas mit der Bemerkung, „ Da hing doch ein Bild, irgendwas mit Streifen, also.“ Ohne eine Antwort von mir abzuwarten, lobt er mich für diese Verkaufsaktion, die ihm fünfzig Prozent des Preises einbringt, die Hälfte von Fünzigtausend Euro. „Satte fünfundzanzigtausend Euro“, wie Mantem sich spontan ausdrückt. Dabei zählt er jeden Zehntausender mit den Fingern ab, hüpft bei jedem Zehntausender einige Zentimeter in die Luft, haut mir auf die Schultern, und bezeichnet mich als Goldjungen, eine Bezeichnung, die mich im gleichen Augenblick wieder an Carol erinnert.

Sag bloß, du hast die ganzen Streifen verkauft? Mensch, das ist doch Klasse, Goldjunge, Mensch, die ganzen Streifen sind weg, alle sieben auf einen Streich oder waren es neun, verdammt, der Schinken kostet doch 50 Mille, ich werd’ verrückt, Party.“

Der Schlag auf meine Schulter ist für mich wie ein Weckruf. Jetzt muss ich ganz vorsichtig sein, jetzt nur keinen Fehler machen, ich stehe vor meinem eigenen Waterloo, was ist jetzt angemessen, was sage ich jetzt? Vielleicht, dass sich jemand das Bild ausgeliehen hat, um es an der Wand in seiner Villa zu prüfen, um zu testen, ob es zu der Sitzgarnitur passt? Damit hätte ich etwas Zeit gewonnen. Aber was mache ich mit der Zeit? Es ist erstaunlich, wie schnell ein Gehirn selbst formulieren kann, im ZickZack, aber immerhin mit deutlichen, klaren, kurzen Sätzen, also, was mache ich, was mache ich.

Mantem unterbricht die sprunghaften Gedankensplitter meiner Festplatte im Hirn und fragt nach zusätzlichen Prozenten, die von seinem Gewinn abgehen könnten, was ich umgehend verneine.

Ich verstehe nicht ganz genau, was er mit zusätzlichen Prozenten meint, bis mir später einfällt, dass er angenommen hatte, ich wäre dem Käufer sehr großzügig entgegen gekommen und hätte ihm das Bild mit den Streifen preisgünstiger verkauft, als offiziell ausgewiesen.

Mantem ist nur wenig älter als ich, vielleicht drei, vier Jahre, ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Jovial und kommunikativ, hat er sich einen kugelrunden Bauch zusammengegessen und angetrunken, da er sehr gern und viel isst, und im Sommer wie im Winter vorwiegend Bier trinkt. Sein Lieblingsgetränk in der Brauereisparte bleibt das Kristallweizen, das er ohne ein Scheibchen Zitrone nicht genießen kann. Da man die Zitronenscheibe unter dem Bierschaum nicht sofort erkennen kann, hat sich Mantem angewöhnt, mit drei Fingern in die Flüssigkeit zu greifen, um durch Fischen die Anwesenheit der Zitrusfrucht zu kontrollieren. Bei Abwesenheit eilt er wie aufgezogen abrupt persönlich an den Tresen. Ist dort auf Nachfrage keine Zitrone vorrätig, meidet er zukünftig das Lokal. Meine Mitarbeiterin Charlotte hatte ihm aus diesem Grund bei der Eröffnung der Ausstellung eine XXL Zitrone geschenkt, eine nette Geste, ohne zu wissen, dass Früchte, die überproportional zur Durchschnittsgröße stehen, meistens nicht schmecken. Mantem muss diese Kenntnisse auch besitzen, die riesige Zitrone liegt immer noch in dem kleinen Kühlschrank in der winzigen Küchenecke der Galerie.

Die Gewissheit, das teuerste Bild der Ausstellung verkauft zu haben, inspiriert Mantem, mich zu einem neuen Zwei-Sterne-Restaurant einzuladen, das er schon besucht hatte. Wobei er mich auf Grund meines Verkaufs jetzt nicht mehr Goldjunge nennt, sondern „kleiner Josef Ackermann“ und von einer Explosion im Mund spricht und damit die Qualität des Essens im Restaurant meint.

Mantem zeigt dabei demonstrativ seinen leichten Kugelbauch, über den er sich selbst mokiert, „alles angefuttert. Aber, Achtung, in sehr guten Restaurants und nicht mehr wegzudenken“.

Charlotte hatte sich angewöhnt, Mantem immer wieder neue Diätartikel unaufgefordert auf seinen Schreibtisch zu legen, Bücher mit Titeln wie „An einem Tag wieder schlank“ oder „Viel essen, viel abnehmen, wie geht das?“ Die Ratgeber wandern automatisch in den Papierkorb, was Charlotte bisher nicht bemerkte und in Serie neue Vorschläge positioniert.

Ich komme der wiederholten Aufforderung Mantems, das Zwei Sterne Restaurant anzurufen und einen Tisch zu bestellen nicht nach, auch nicht, als er mir die Visitenkarte mit der Telefonnummer übergibt. Bevor ich anrufe, muss ich ihm genau sagen, was am Morgen passiert ist, denke ich und versuche, den Augenblick zu erwischen, um lückenlos alles zu erklären. Mantem scheint nicht zu reagieren. Er fischt, mit den Lippen pfeiffend, einen blau getönten Umschlag aus seiner Post heraus, steckt in eine kleine Schlaufe auf der Rückseite des Briefes die Spitze einer Schere und reißt mit einem Ruck eine Öffnung in den Umschlag. “Polizei, sagtest du Polizei? Was ist damit?“ Seine Augen fliegen schnell über den Text. Dann fordert er mich erneut auf, das Restaurant anzurufen und widmet seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Post.

Das Bild ist nicht verkauft, es ist heute Morgen gestohlen worden.“

Endlich ist der Satz ausgesprochen.

Ich muss den entscheidenden Satz geflüstert haben, auch jetzt zeigt Mantem keine Reaktion.

Das Restaurant rufe ich jetzt nicht an, sondern die Polizei. Das Bild mit den goldenen Streifen ist heute Morgen gestohlen worden, es ist nicht verkauft.“

Ich spreche wie in einem Sprachkurs jede einzelne Silbe, langsam und deutlich.

Wie gestohlen, was meinst du mit gestohlen, was ist gestohlen?“

Mantem ist weiterhin in seine Korrespondenz vertieft und schaut mich nicht an.

Ganz einfach gestohlen, geklaut, geraubt, kostenlos mitgenommen, stibitzt, wie auch immer, die goldenen Streifen sind von einem mir unbekannten Mann gestohlen worden.“

Die Wahrheit ein zweites und drittes Mal auszusprechen, ist einfacher als das erste Mal. Ich wundere mich, wie begriffsstutzig Mantem zu sein scheint, er müsste doch jetzt aufspringen und mir an die Gurgel gehen, scheine ich doch den Täter zu kennen oder gesehen zu haben.

Ohne eine Antwort öffnet Mantem eine kleine Tür seines Schreibtisches, entnimmt eine Flasche spanischen Brandys und zwei bauchige Gläser, füllt die Schwenker mit einer kleinen Pfütze des Getränkes, das er außerordentlich schätzt, auf Grund seiner jährlichen Sommerreisen nach Spanien, schiebt ein Glas in meine Richtung, leert mit einem Schluck sein Glas, stellt es auf den Tisch und schenkt sich selbst die gleiche Menge noch einmal ein. Ich beobachte ihn wie in einem Slow Motion Film, und wenn ich mich selbst hätte beobachten können, wäre mir mein weit offen stehender Mund aufgefallen.

Wenn das stimmt, was du sagst, dann ist der Schluck für dich. Hau weg das Teil. So, die Streifen sind gestohlen worden, passiert ja auch nicht alle Tage, kaum zu glauben.“

So viel Coolness überrascht mich, und von Mantem hätte ich sie nicht erwartet.

Ich nippe am Brandyglas und lenke die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, die Kripo zu informieren, was Mantem mit der Begründung ablehnt, er möchte vor der Kripo alle Details genau wissen. „Außerdem“, mit diesem Wort führt er einen Zeigefinger an das untere Augenlid seines rechten Auges, zieht es ein wenig herunter, so dass die vielen roten Äderchen auf dem weißen Augapfel zu sehen sind, „außerdem, gibt es ja noch Versicherungen, gute Versicherungen, sehr gute Kunstversicherungen und wir haben eine abgeschlossen, mein Lieber, die gucken zwar ganz genau hin und man sollte nie mit denen eine linke Sache machen und tricksen, was wir ja auch nicht müssen, unser Bild ist ja richtig gestohlen worden, heute Morgen, hier in unserer Galerie, wie du sagst.“

Beim Wort Versicherungen, gehe ich zur Brandyflasche und schenke mir selbst ein weiteres Glas ein. Die Flüssigkeit erzeugt eine beruhigende Wirkung auf meinen Gesamtzustand und auf meine Psyche. Vielleicht bin ich diesmal mit einem blauen Auge davon gekommen, denke ich und die weiteren Äußerungen von Mantem bestätigen nicht nur diesen Eindruck, sie lassen das blaue Auge völlig vergessen, da dieser den Vorfall an die „ganz große Glocke hängen will“ und von einem Knüller spricht, der sofort an die Presse gehen muss.

In ruhigen Worten berichte ich jetzt den kompletten Hergang des Vorfalls, einige, für mich unvorteilhafte Details, wie das Telefongespräch mit Carol, lasse ich unter den Tisch fallen.

Mantem streicht mit seinen Fingern über seinen Oberlippenbart, wobei gleichzeitig die Spitze seiner Zunge zwischen den Lippen zu sehen ist, ein Zeichen seiner guten Laune. Die Angelegenheit bereitet ihm sichtlich Vergnügen.

Zehn Minuten später betritt Charlotte die Galerie. Sie öffnet die Tür mit einer Hand, mit der anderen versucht sie ihr Fahrrad durch die Tür zu schieben, entdeckt dabei Mantem, zieht die Tür wieder zu, stellt ihr Fahrrad an die Hauswand, schließt es umständlich ab, da wieder das teure Fahrradschloss nicht funktionieren will. Der kleine Schlüssel lässt sich oft nicht automatisch nach Schließung aus dem Schlüsselloch ziehen.

Charlotte fährt immer mit dem Fahrrad, im Sommer wie im Winter, im Frühling wie im Herbst. Mantem sieht es nicht gern, wenn Charlotte ihr Fahrrad in die Galerieräume stellt. Das ist für ihn unprofessionell aus, wie er immer wieder betont, Charlottes Fahrrad ist ihm ein Dorn im Auge. Er mag keine Fahrradfahrer, seitdem er nachts von einem Radler ohne Licht auf dem Bürgersteig angefahren wurde und der Fahrradfahrer blitzschnell in der Dunkelheit verschwand.

Das ist Fahrerflucht, ich zeige dich an, du Mistkerl, ich erwische dich, dich kriege ich du Penner“, all diese Flüche brachten den Fahrradfahrer nicht zurück.

Da Fahrräder keine Kennzeichen führen, war die Identifikation schwierig. Seit diesem Unfall überlegt Mantem einen Verein zu gründen gegen „Auf dem Bürgersteig fahrende Fahrradfahrer.“

Die anstehende Vereinsgründung fällt ihm immer wieder ein, wenn ihm das Fahrrad von Charlotte. begegnet.

Ich bin für ihn ein kein Kandidat in seinem Verein, da ich selbst leidenschaftlich Fahrrad fahre und mit dem Rad in der Stadt schneller bin, als die Öffentlichen oder das Auto. Einem Verein gehöre ich nicht an, jedoch einer Fahrradgruppe, die sich einige Male im Jahr trifft und Ausflüge in die Umgebung macht. Fahrrad fahren hat etwas Kontemplatives. Ich kann mir vorstellen, Einstein fiel die Formel E = mc zum Quadrat auf einem Fahrrad ein.

In unserer Fahrradgruppe muss jeder eine Fahrt im Jahr selbst organisieren, Hotels buchen, die Strecke recherchieren. In meiner Gruppe befinden sich sehr nette und freundliche Menschen, die aus verschiedenen Städten kommen, und in diesem Frühjahr bin wieder an der Reihe gewesen, eine Fahrt zu organisieren und durchzuführen.

Es ist mir nicht gelungen, Charlotte zu überreden, in unserer Gruppe mit zu radeln. Sie fährt lieber allein, mag den „Gruppengeruch“ nicht, wie sie es einmal ausdrückte.

Charlotte ist über den Diebstahl nicht besonders überrascht, jedenfalls zeigt sie keine aufgeregte und erstaunte Reaktion. Das macht mich stutzig, ich frage nicht nach, insistiere nicht. Ich kann ihre Passivität nicht einordnen, vermute jedoch, dass sie bei den geringen Stunden, die sie in der Galerie arbeitet, insgesamt wenig Identifikationsmomente findet.

Mantem bespricht mit Charlotte kurz die Presseerklärung, die als Serien -Email an verschiedene Zeitungen verschickt wird. Sie könnte das „Sie“ in ein „Du“ mit Zustimmung von Mantem ändern, der ihr das „Du“ schon mehrmals angeboten hatte. Sie lässt es beim „Sie“.

Wenig später betreten zwei Herren von der Kripo die Galerie, die nicht wie Darsteller aus der Tatort Serie aussehen, sondern eher aus einer amerikanischen Film Noir Serie. Beide tragen einen Trenchcoat, ockerfarben und weiß. Sie nehmen ein Protokoll auf, fotografieren die leere Wand, lassen sich eine ausgedruckte Abbildung des verschwundenen Bildes mitgeben und verlassen die Galerie mit der Bemerkung. „Wir melden uns, wenn es etwas Neues gibt.“

Charlotte begleitet die Beamten zur Tür. Mit ihnen verlässt Mantem die Galerie und steigt in seinen Mercedes, der direkt vor dem Haus parkt.

Bevor Charlotte und ich uns über das verschwundene Bild unterhalten, schlägt Charlotte vor, einen Espresso zu kochen. Sie hatte für die Galerie aus eigener Tasche eine kostengünstige Espressomaschine besorgt. Irgendwann entdeckte Charlotte die Frage nach einem guten Espresso, den sie fast nirgendwo finden konnte, außer bei einigen Italienern..

Die Crema sei entscheidend und wenig Wasser, wenig! Außerdem sollte die Crema so dick sein, dass der Zucker auf der Crema für einen Augenblick liegen bleibt.

Immer wenn sie die Espressomaschine betätigt, wiederholt sie diese Sätze. Ich habe es nicht so mit dem Espresso, kann die Ansprüche von Charlotte jedoch nachvollziehen. Sie kauft immer ganze Kaffeebohnen und mahlt den Kaffee kurz vorher selbst, dabei stoppt sie die Dauer des Mahlvorgangs mit einem Küchenwecker, in meinen Augen keine Marotte, sondern eher eine Frage der Haltung. Anfangs habe ich mich nicht für die kleinen Sorgfältigkeiten nicht interessiert und auch den Gang von Charlotte in die ersten Bio Läden misstrauisch betrachtet, jetzt schaue ich selbst ab und zu in meinen neuen Bio Laden, der direkt neben meinem Italiener liegt, nach regionalem Obst und diskutiere hin und wieder den Espresso beim Italiener.

Das Lokal des Italieners grenzt an einen freien Platz, auf dem die Jungen aus der Nachbarschaft regelmäßig Fußball spielen. Wenn diese am Abend das Feld räumen, treffen sich bei Bruno, dem italienischen Wirt, die Boulespieler, die es lieben, unmittelbar in der Nähe eine Kneipe zur Verfügung zu haben. Ich genieße die Zeit mit Boulespielen, freue mich auf die netten Begegnungen, Boulespieler sind durchweg angenehme Leute, die wenigen Frauen werden als gleichberechtigte Partner behandelt. Man sieht sich bei diesem Sport auf Augenhöhe. Boulespielen verwischt die Gedanken an Carol.

Bruno, der italienische Wirt, hat bei den Spielern keinen leichten Stand. Seine Großmutter könnte Schottin gewesen sein, denn er ist bekannt für seine kleinen Portionen auf den Tellern. Es mag auch daran liegen, dass er der einzige Italiener weit und breit ist und seine Monopolstellung ihn dazu verführt, immer wieder mit Miniportionen zu überraschen. Sein Restaurant liegt passgenau neben dem kleinen Schotterplatz, den wir uns vor Jahren als Bouletreff ausgesucht hatten.

Ab und zu stellt sich Bruno vor die Tür, ruft über den Platz, seine Pizza nicht zu vergessen, kommt allerdings auch nie auf die Idee, seine guten Kunden, die alle ihr Bier an seiner Theke abholen, zu einem Getränk oder einer Pizza Grande für alle einzuladen. So verhalte ich mich ihm gegenüber ambivalent, bleibe kurz angebunden, aber höflich, äußere allerdings kleine ironische Spitzen unter den Boulespielern, die dort gut ankommen, besonders bei den Spielern, die am Abend bis zu zehn Flaschen Bier trinken.

Bei einem Essen mit Charlotte in Brunos Restaurant, in das zu gehen ich Charlotte überzeugen konnte, als ich ihr sagte, dort treffen sich nette Männer und meine Boulespieler meinte, lobte sie den Espresso und behauptete, lange keinen so guten getrunken zu haben.

Charlotte drückt mir die weiße Espressotasse mit viel Crema in die Hand. Charlotte ist mir sehr sympathisch und dennoch, eine Beziehung mit ihr kommt jetzt und kam auch nie in Frage, obwohl wir uns sehr gut verstehen und auch ähnliche Vorlieben beim Essen festgestellt haben. Sie interessiert sich auch für meine wenigen Veröffentlichungen in einer Szenezeitung, die ich unter einem Pseudonym schreibe. Ich habe mir angewöhnt, sie Charlotte vor dem Druck noch einmal zum Lesen zu geben. Nicht nur, weil ich mich dadurch sicherer fühle, sondern weil ich ihrem Geschmack, sowohl stilistisch auch vom Aspekt der Esskultur, vertraue. In meinen kleinen Kolumnen, die ich wegen des Honorars schreibe, beschäftige ich mich nicht mit Sterne- Restaurants, vielmehr interessiert mich das Typische und Einfache, und manchmal finde ich eine Perle, über die es sich lohnt zu schreiben, wie in meiner letzten Kolumne, als ich über eine Boulette schrieb, die man außerhalb Berlin Frikadelle nennt. Den Boulettentext las Charlotte einmal durch, korrigierte eine falsche Satzstellung und gab ihn mit einem freundlichen Lächeln zum Druck frei.

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