vonErnst Volland 04.02.2025

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Teil 2

Ernst: Hat die Sowjetunion also nichts mehr zu bieten gehabt, militärisch, kulturell?

Michel: Sie hatte wirtschaftlich nichts mehr zu bieten. 90/91 oder auch schon 89 konntest du selbst in den Berjoska Läden, also den Läden für Ausländer, nichts mehr kaufen. Ich bin der Meinung, entscheidende Weichenstellungen 1985 im April, als Gorbatschow an die Macht gekommen ist, dass diese entscheiden Weichenstellungen, die vorgenommen werden mussten, nicht erfolgten. Auf der einen Seite gab es keine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Stalinzeit, was heißt, es gab keine grundlegende Änderung des Justizwesen. Auf der anderen Seite gab es keinerlei Unternehmung, die Ökonomie der Landwirtschaft in den Griff zu bekommen.

Ich war ja über viele Jahre mit Valentin Falin eng befreundet. Falin war der Berater von Breschnew und später auch von Gorbatschow. Falin sagte mir bereits 1986, um die sowjetische Landwirtschaft zu sanieren braucht man 400 Milliarden Dollar. Diese Summe allein zeigt, es wird keine Reform der Landwirtschaft geben. Von Seiten der USA und all den andreren ist die Sowjetunion totgerüstet worden. Hinzu kam natürlich der unter Andropow verlorene Afghanistan Krieg. Das war z.b. auch der Punkt, an dem Falin und Andropow auseinandergingen und Falin aus seiner Beraterfunktion herausgedrängt wurde.

Ernst: In dieser Zeit war die entscheidende Figur Gorbatschow. Wie kam er 1985 an die Macht?

Michel: Indem er sich innerhalb des Politbüros gegenüber Lichatschow durchgesetzt hattte. Andropov ist nach einigen Jahren verstorben, Tschernenko ebenso und dann hat man sich eben für Gorbatschow entschieden, gegen den Widerstand von Lichatschow, mit dem er sich ja auch ganz entschieden auseinandergesetzt hat. Die nächste Auseinandersetzung mit Jelzin hätte anders laufen müssen. Er hätte Jelzin zurück nach Katarineburg schicken müssen. Dann wäre die Geschichte eventuell anders verlaufen. Aber das sind müssige Spekulationen. Ich meine einfach, dass in dieser Ära Gorbatschow nichts geschehen ist auf dem Feld der Ökonomie und auf dem Feld der Justiz. Es ist ja so schwierig mit dieser Vergangenheit der Sowjetunion und besonders in der Stalinzeit, weil Opfer und Täter oft identisch waren.

Ernst: Man hat ja jüngst versucht, Memorial Moskau zu schließen bzw es ist geschlossen worden, was ich für einen unverzeihlichen Fehler halte, auch mit Blick auf das Ausland.

Für mich war der Angriff am 24. Februar, mit dem ich niemals gerechnet hätte, ein Schock. Hast du mit dem Angriff gerechnet?

Michel: Ich habe nicht damit gerechnet. Das ist ganz einfach zu erklären. Ich bin seit 2, 3 Jahren nicht mehr in engem Kontakt zu russischen Freunden, oder gar mit Personen, die in der Politik in Russland eine Rolle spielen.

Zum anderen muss ich sagen, wenn ich richtig unterrichtet bin, gibt es einen Kreis von 7 Personen die einen Zugang zum Präsidenten haben, 7 Personen. Selbst der Wirtschaftsberater Putins, Andrei Beloussow hat keinen Zugang zum Körper des Präsidenten. Das heißt, es ist eine ganz kleine Gruppierung, ich bezeichne sie als eine kleptokratische Klicke, die heute über das bestimmt, was Russland tut. Das hat es ja zu Zeiten der KPdSU nie gegeben. Ich muss auch etwas anderes dazu sagen. Mein Engagement in bezug auf die Sowjetunion und auch ihrer Verteidigung, oft sehr umstritten, hatte natürlich damit zu tun, dass es ein anderes Gesellschaftssystem war. Dies hier ist ein kapitalistisches Gesellschaftssystem und das kapitalistische Gesellschaftssystem unternimmt bekanntlich ja alles, um nicht unterzugehen. Ich kann also heute nur noch eine einzige Alternative erkennen und für einen, der nie Maoist gewesen ist, ist das besonders schwierig. Aber als einzige Alternative sehe ich nur noch China.

Auch zu China habe ich sehr gute Kontakte und einer meiner sehr guten Freunde ist jetzt in seiner letzten Runde Kulturbotschafter in Wien.

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